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Zwirnsknäulerl
Krachen da zwei auf der Weißgerberlände aufeinander. Aber nein, passiert ist nicht viel, bißl Blechschaden und so. Es hat ja auch furchtbar geschüttet und die Regenwände haben die Sicht verstellt.
Ein Flaschengrüner, jung, streng und forsch, entklettert dem Streifenwagen, pirscht sich an und handelt Amts. Bisserl von oben herunter, aber korrekt, wie die Stutzung seines Bärtchens.
Der Hauptsünder meinte: „Schauns, Herr Inspektor, es hat so g'schifft, daß ich einfach nix,aber scho gar nix g'sehn hab' — er ist net schuld, aber i a net. I fahr, er bremst, und bei dem Wedda!“
Drauf die amtliche Person, deren Kragenspiegel von drei Sternen erleuchtet ist, in unnachahmlichem Wienerisch, das irgendwo zwischen Bernoullistraße und dem Spitz angesiedelt sein muß: „Schauns, wanns scho sehn, daß'S nix sehn, dann miasans halt schaun!“
Ich war Zeuge dieses Gesprächs, nur zufällig dabei. Mein Glücksgefühl aber entsprang nicht dem Leichtfuß Zufall, oh nein, es war in tieferen Regionen des unteren Bewußtseins angesiedelt. Da hörte der Wiener in mir begeistert endlich einmal wieder seine Sprache. Nicht die Sprache der Kartoffel, die längst den Erdapfel verdrängt hat, der Tomate, die den Paradeiser ermordete, die der Hörnchen und der Backwaren, der Tunke und des Pils!
Ich hätte den Beamten umarmen mögen, weil er nicht versuchte, sich zu verstellen, weil er beim Dialekt und somit bei Nestroys Diktion blieb, anstatt ein Hochdeutsch zu versuchen, das sonst nur Eltern — obwohl sie es nicht beherrschen — ihren Kindern auf den Weg mitgeben zu müssen glauben.
„Gerhaard“ — mit langem A — „mach nicht so einen Leerm, der Obaba will schlaffen! Sei stüll, sonst kriegst Du es, Du schlimmer Pup Tu! Da gehst herr und spülst Dich leise, sonsten is der Baba pös!“
Wohin verschwand es, das melodienreiche österreichisch, das — um nur ein Beispiel zu nennen — den Wiener Film so beliebt machte?
Es muß ja nicht das nachgeäffte Schönbrunnerdeutsch sein. Es sollte vielmehr die Sprache des österreichischen Menschen sein, den es wieder zu entdecken gilt, auch auf der Bühne.
Mir fehlt der Singsang eines Paul Hörbiger, ich hör' die Wessely zu selten — wo sind die Neugebauers, die Hennings, die Karl und Mitzi Günther? Ja, der Jaray — aber er ist (Gratulor!) 80, der Pary-la auch, und ein Hans Holt ist ebenfalls eine singulare Erscheinung geworden.
Hart geht es zu auf der Bühne. Sie, die „komm weern und Richard Drei spielen“, sind sicher prima, aber harte Burschen und Mädchen, und keine patzwaachen Madin und Buam, wie es unsere Großen noch mit 80 sind.
Liebe zur Muttersprache, wie wir sie uns wünschen, muß man auf der Bühne erzeugen. Hineinhören lassen muß man die Ju gend, damit sie die Synchronisa tionen der TV-Schinken vergißt.
Raimund und Nestroy müssen in Österreich von Österreichern gespielt werden, die verstehen, was Nuancen sind, die wissen, wo und wann dieses, wo jenes A anzuwenden ist. Es ist eben ein Unterschied zwischen einem „Glasl Wossa“ und einem „Gläschen Wasser“, vom „Glosl Wasser“ ganz zu schweigen.
Jeder, der in einem österreichischen Stück auf einer österreichischen Bühne spielen will, muß wissen, wie man Zwirnsknäulerl sagt. Zwirnsknallerl — und er ist entlassen.
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