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Kupfer-Konfusion

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Der viertägige Moskaubesuch des chilenischen Außenministers Almeyda bildete den wirtschaftspolitischen Höhepunkt seiner einmonatigen osteuropäischen Werbetour. Nach der Verhandlung mit Ministerpräsident Kossygin sprach Almeyda von einem „neuen Stand in den Beziehungen zwischen der UdSSR und Chile“. Mit anderen Worten: „Die Sowjetregierung versteht und unterstützt die chilenische Regierung der Volkseinheit und ihr Programm.“

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Der viertägige Moskaubesuch des chilenischen Außenministers Almeyda bildete den wirtschaftspolitischen Höhepunkt seiner einmonatigen osteuropäischen Werbetour. Nach der Verhandlung mit Ministerpräsident Kossygin sprach Almeyda von einem „neuen Stand in den Beziehungen zwischen der UdSSR und Chile“. Mit anderen Worten: „Die Sowjetregierung versteht und unterstützt die chilenische Regierung der Volkseinheit und ihr Programm.“

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Dies bedeutet praktisch nicht weniger als den Beitritt Chiles zum COMECON und der Internationalen Investitionsbank dieser Organisation. Damit wird Chile das erste nichtkommunistische Land sein, das direkt mit dem COMECON Zusammenarbeiten wird. Der COMECON- Sekretär orientierte den chilenischen Außenminister und seine Begleiter eingehend über die Tätigkeit der sowjeteuropäischen Wirtschaftsorganisation.

Chile wird in den kommenden Monaten eine bedeutende Sowjethilfe erhalten. Laut Vereinbarung soll der Warenaustausch wesentlich erweitert werden, neue Warenlisten wurden bereits überreicht. Sowjetkredite werden zum Ankauf von Ausrüstungen flüssig gemacht. In Chile werden zwei große Industrieprojekte gemeinsam ausgeführt: ein Hausbaukombinat und ein Basisbetrieb für Ölverarbeitung. Außerdem sollen noch andere Gemeinschaftsinvestitionen durchgeführt werden: chemische Industrien, ein Fischereihafen, „schlafende, bewilligte Kredite“, die Ende der sechziger Jahre vom christlich-demokratischen Präsidenten Eduardo Frei ausigehan- delt worden waren, sollen zum Leben erweckt werden.

Es wurde weiter vereinbart, daß Moskau einen Entwicklungskredit in der Höhe von 15 Millionen Dollar gewährt. Wenn man bedenkt, daß Bulgarien 20 Millionen Dollar garantiert hat, muß der sowjetische Entwicklungskredit eher als bescheiden bezeichnet werden. Es ist evident, daß Chile für alle sowjetischen Hilfsleistungen mit politischen Konzessionen bezahlen muß. Almey- daa Schaukelvorführungen in acht osteuropäischen Ländern, die sogenannte „chilenische Osteuropaoffensive“, könnte leicht zu einer sowjeteuropäischen Offensive in Chile umfunktioniert werden.

Vorerst übernehmen immer mehr osteuropäische, vorwiegend russische Experten in der chilenischen Wirtschaft Schlüsselpositionen. Die trostlose Situation in der verstaatlichten Kupferindustrie erforderte es, da die Zahl der amerikanischen und chilenisch-kapitalistischen Experten stark zurückging, was zum Rückgang der Kupferproduktion führte. Merkwürdigerweise hat sich Moskau verpflichtet, Sachverständige in die chilenischen Minen zu entsenden, obwohl die eigene Kupfergewinnung tief unter dem westlichen Standard blieb und Moskau gezwungen war, französische und englische Experten einzuladen.

Ein Senatskomitee hatte im Februar die vorgesehenen Kompensationen an die drei größten nordamerikanischen Gesellschaften Anaconda, Kennecott und Cerro herabgesetzt. Darauf verließen viele amerikanische Fachleute die Minen. Aus einer Großmine flüchtete auch die Hälfte der chilenischen Spitzenfunktionäre aus dem Land. Bis März sind mehr als 300 Spitzenfunktionäre und -techniker, Amerikaner und auch Chilenen, zurückgetreten. Schon im Frühjahr fehlten 20 Prozent von den kontraktmäßig vereinbarten Exportliefermengen. In der zweitgrößten Mine, El Teniente, brach die Schmelztätigkeit im März zusammen.

ökonomische Ironie: die Sowjetminen arbeiten altmodisch und unrentabel, da die Kosten viel zu hoch sind. Die UdSSR machte einem französischen Konsortium und der Rio- Tinto- Cink-Corporation in London

Angebote, Experten zu entsenden, die bei der Erschließung großer Erzlager bei Udokan, östlich vom Baikalsee, mitwirken sollen. Die Entwicklungs-

kosten werden dort auf drei Mil- Harden Rubel gesohätzt Unter westlicher Führung soll die größte Konkurrenz für El Teniente und Chu- quicamata bei Udokan aufgebaut werden. Jetzt allerdings wird, ein seltsamer Höhepunkt der sowjetisch- chilenischen Kupferkonfusion, der Abbau des Kupfererzes in Kasachstan vernachlässigt, weil Fachleute in großer Zahl nach Chile abkommandiert werden.

In der Prawda beklagt sich Politbüromitglied und Erster Sekretär der Kasachischen KP, Kunajew, daß der Mammutschmelzbetrieb für Kupfer in Kasachstan nicht mit voller Kapazität produzieren kann, weil die Minen wenig Erz liefern. Dieselbe Situation wie bei El Teniente in Chile. Es half wenig, daß in Moskau das Ministerium für Nicht-Eisen- metalle und der Gosplan getadelt worden sind. Sie entschuldigten sich damit, durchaus verständlich, daß sie machtlos seien, wenn die Ankurbelung der chilenischen Kupferproduktion den Vorrang vor den Sowjetminen besitzt.

Dabei war erst der erste Teil des Schmelzwerkes in Kasachstan in Betrieb. Wenn die zweite Einheit des Mammutwerkes in Aktion tritt, wird die Situation noch ungünstiger sein.

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