7024442-1989_06_04.jpg
Digital In Arbeit

Neue Ost-Kontaktstelle

Werbung
Werbung
Werbung

Man muß in der Geschichte des Erzbistums beziehungsweise Kurfürstentums Köln lange zurückblättern, um ähnliche Diskussionen, Machtkämpfe et cetera zu finden, wie sie sich in den letzten Wochen und Monaten um die Bestellung des 91. Nachfolgers des heiligen Maternus abgespielt haben. Es ist 300 Jahre her, als 1688 Kaiser Leopold I. gegen einen französischen Kandidaten und gegen Papst und Domkapitel erfolgreich intervenierte.

Wenn Kardinal Joachim Meis- ner am kommenden Sonntag, 12. Februar, vom Domkapitel feierlich eingeholt, in den hohen Dom von Köln einziehen wird, um von seiner neuen Diözese Besitz zu ergreifen, wie es so schön kirchenamtlich heißt, wird er hoffen, daß sich die Stürme bald legen werden - zumindest was seine Person betrifft.

Diese Hoffnung ist nicht unbegründet. Bereits bei seiner Pressekonferenz am 20. Dezember in Berlin anläßlich seiner Ernennung verschaffte sich Meisner bei den Kölner Sympathien. Er könne ihnen nicht zumuten, noch vor Ende des Karnevals nach Köln zu kommen. Die Kölner dankten es Meisner auf ihre Weise. Beim letzten Rosenmontagszug wurde er bereits als Pappfigur mitgeführt.

Joachim Meisner wurde im Zuge der Auseinandersetzungen um die Nachfolge Joseph Höff- ners als konservativ etikettiert. Das waren aber seine Vorgänger auch. Das sind viele seiner Mit-* brüder im bischöflichen Amt in der Bundesrepublik.

Während Höffner doch sehr unnahbar wirkte — von ihm hatte zum Beispiel kaum jemand gewußt, daß er einen Hund besaß -, wird Meisner für Überraschungen gut sein. So sind sein Humor und sein sicherlich auch in Berlin geprägter Witz dem eines Kardinal Frings nicht unähnlich.

Für die Kunstmetropole Köln ist Meisners positives Verhältnis zum Kulturschaffen von Vorteil. So konnte man ihn in Berlin oft stundenlang in Museen treffen.

Ein Aspekt in der zukünftigen Tätigkeit Meisners läßt jedoch im nachhinein die Insistenz Roms für seine Ernennung in einem ganz anderen Licht erscheinen. Er wird sich — sicherlich im Auftrag des Papstes - von Köln aus sehr stark um die Kirchen im Osten kümmern.

Anfang des Jahres reiste er bereits nach Prag, um Kardinal František Tomašek nach Köln einzuladen. Auch in einem Hörfunk-Interview betonte Meisner diesen seinen zukünftigen Schwerpunkt.

Damit wird nun Köln in der Person seines Erzbischofs möglicherweise eine Drehscheibe für die kirchliche Ostpolitik. Daß Joachim Meisner durch seinen persönlichen Werdegang dafür geeignet ist, liegt klar auf der Hand.

Bitter mag dies nun für Österreich und Wien stimmen. Die aktive Neutralitätspolitik Österreichs nach 1955, die sich auch als Brücke zwischen Ost und West verstand, wurde in den sechziger und siebziger Jahren atmosphärisch stark durch die Person des Wiener Alt-Erzbischofs, Kardinal Franz König, gestützt. Denn er war es ja, der im Auftrag Roms so manche nutzbringende Kontakte im Osten knüpfte.

Nachdem nun die politische Brückenfunktion Österreichs durch die fortschreitende Entspannung und durch die Entwicklung in Ost- und Ost-Mittel-Eu- ropa in den Hintergrund tritt, fällt auch die kirchenpolitische Komponente weg: Die Kontaktstelle der Kirche für den Osten wird von der Donau an den Rhein verlegt. Eine nicht zu unterschätzende Auswirkung für Österreich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung