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Romantik und Zynismus

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Es waren nicht die unbedeutendsten und schlechtesten Schriftsteller, deren Phantasie die Leser in geheimnisvoll-unzulängliche Landstriche führte, wo die Vergangenheit unberührt geblieben war, Fluchtparadies-Träume für Menschen unserer nicht immer schönen Welt... Pierre Be-noit (L'Atlandtde), Conan Doyle (The Lost World), James Hilton (Lost Horizon), E. A. Poe (Gordon Pym), Rider Haggard (She) und Jules Verne erschufen ihr und unser Shangri-La — und auch Ian Cameron erträumte sich in seinem Buch „The Lost Ones“ seinen Garten Eden; die Walt-Disney-Production realisierte den Roman unter dem deutschen Titel „Insel am Ende der Welt“ zu einem liebenswert-naiven Film für Kinder und Jugendliche (jeder Altersstufe — bis ins höchste Alter!), in dem romantische Abenteuer in hinreißender Tricktechnik lebendig werden. Da unternimmt ein wahrhaft britischer Gentleman mit einem Professor der Archäologie und einem wackeren französischen Kapitän in Jules-Verne-Manier eine Luftschiff-Reise in die Arktis, um seinen auf der Suche nach dem legendären Friedhof der Wale verschollenen Sohn zu finden — und entdeckt eine Insel mit blühender Vegetation (wie's weitergeht, ist allerdings dann ein wenig sehr naiv!). Aber jedenfalls ist dieser harmlose Phantasie-Ausflug zehnmal „wertvoller“ als das „Mandingo“-Liebkind unserer

Filmprädikatisierungskommission, die dafür hier kein Prädikat aussprach (richtig — doch im Vergleich keineswegs!).

Die in Cannes von einigen progressiv-radikalen Kritikern furios gelobte Filmsensation „Jeder für sich und Gott gegen alle“ von Werner Herzog, erweist sich in Wahrheit als übles, zynisches und arrogantes Schaustück eines sich an physischen wie psychi-chen Gebrechen Erbauenden: nach Zwergen („Auch Zwerge haben klein angefangen“), einer Taubblinden („Land des Schweigens und der Dunkelheit“), einem wahnsinnigen Monstrum .(„Agruirre, der Zorn Gottes“) ist es jetzt der 1828 in Nürnberg aufgefundene Kaspar Hauser, beziehungsweise dessen Darsteller Bruno S. — ein debiler, viele Jahre in Anstalten lebender Hilfsarbeiter —, der hier hilflos plappernd, starr blickend und ungelenk herumstolzierend zur Marionette des Haß, Menschenverachtung und Tierquälerei zeigenden Filmemachers wird. Herzog ist nicht besser als sein Schausteller im Film, der mit Stolz und dämonischem Vergnügen Abnormitäten zum Geldverdienst präsentiert. Wie groß und edel war dagegen Truffauts Anteilnahme und Liebe zu seinem „Wolfsjungen“! Dieser Kaspar-Hauser-Film ist jedoch abscheulich und unmenschlich.

Unter dem ebenso sinnlosen wie häßlichen Titel „Marschbefehl zur Hölle“ verbirgt sich ein 1971 gedrehter italienischer Film, der die angeblich authentische Geschichte eines deutschen Fremdenlegionärs (nach dem Ersten Weltkrieg) schildert, der schließlich desertierte und Kampfgefährte und engster Vertrauter Abd el Krims wurde, schließlich dann nach seiner Gefangennahme 1933 in Guyana starb. Der sehr bemühte, in der Gestaltung aber überforderte Film nach dem Roman „II sergente Klems“ von Paolo Zappa) hat zumindest einen sympathischen Hauptdarsteller, Peter Strauss (bekannt aus „Ein Wiegenlied vom Totschlag“), aufzuweisen, aber auch viele Längen. „Lawrence von Marokko“ wäre treffender ... i

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