Rollenspiel im Rahmen der Ausstellung Erlebnis Europa in Wien - Europapolitik lernen heißt vor allem, Ausdauer und Durchhaltevermögen für den EU-Gesetzeslalom zu trainieren. - © Wolfgang Machreich

Spielen bis zum EU-Kompromiss

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Zum Europäischen Forum Alpbach kommen EU-Insider und jene, die es werden wollen. „Erlebnis Europa“ in Wien lädt EU-„Erstklässler“ in Europas Gesetze-Werkstatt.

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Zum Europäischen Forum Alpbach kommen EU-Insider und jene, die es werden wollen. „Erlebnis Europa“ in Wien lädt EU-„Erstklässler“ in Europas Gesetze-Werkstatt.

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Das Handy entscheidet, wer welche Politik vertritt. Überraschte Blicke, damit haben die Schülerinnen und ein Schüler einer Klasse der Höheren Lehranstalt für Sozialbetreuung und Pflege in Villach nicht gerechnet. Auf Exkursion in Wien besuchen sie die interaktive Ausstellung „Erlebnis Europa“ und bekommen Mobiltelefone. Nach dem Einschalten sehen sie, zu welcher politischen Fraktion im EU-Parlament sie gehören – und ihre Arbeit als Abgeordnete beginnt.

Ein Jahr vor den nächsten EU-Wahlen hat das Europaparlament eine Art Zweigstelle in der Wiener Rotenturmstraße sowie in anderen Hauptstädten der Mitgliedsstaaten eröffnet. Die Flaniermeile zwischen Stephans- und Schwedenplatz ist bewusst gewählt, um „Laufkundschaft“ anzulocken und die EU so vielen wie möglich näherzubringen. Neben einem 360-Grad-Kino, das die Besucher ins EU-Parlament nach Straßburg „beamt“, wird für Gruppen ein Rollenspiel angeboten, in dem sie den EU-Gesetzgebungsprozess durchexerzieren können. Achtung! Das Spiel ist sehr realitätsnah.

Der Soziologe Max Weber hat Politikarbeit als „ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“ beschrieben. „Erlebnis Europa“ vermittelt genau das. Europa- Politik lernen heißt, Ausdauer und Durchhaltevermögen trainieren. „Wow,ist das kompliziert!“, klagen die Villacher Schülerinnen bald nach Spielbeginn. „Ist das anstrengend!“, begleitet als Refrain die Gesetzgebungsrunden. Und am Ende, das dann noch einmal von einer Verhandlungsschleife hinausgezögert wird, stöhnen die Jugendlichen: „Digga, das dauert ja voll lange!“ Willkommen im gemeinsamen Europa.

Die beiden Gesetzesbeschlüsse, die von der Schulklasse auf EU-Schiene gebracht werden müssen, haben es in sich – Rollenspiel heißt nicht spielerisch leicht. Das gilt sowohl für Aktualität als auch Brisanz der Materien. Eine „Richtlinie für Wassersolidarität“ zwischen den EU-Mitgliedsstaaten sollte die Klimawandelfolgen von Dürre bis Hochwasser abfedern. Zentraler Punkt in diesem Wasser-teilen-Gesetz ist eine transeuropäische Wasserleitung. Die zweite Gesetzesinitiative hat ebenfalls viel Konfliktpotenzial: Zum Plan einer Personenkennungsrichtlinie gehören Mikrochipimplantate, die in die Körper von EU-Bürgerinnen und -Bürgern eingesetzt werden. Eine Steilvorlage für Debatten über Freiheitsrechte, Überwachungsstaat, Gesundheit und wirtschaftliche Interessen.

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