Bindestrich-Österreicher Paul Lendvai - „Zugleich Patriot und Weltbürger“ – Paul Lendvai auf Lesereise durch Österreich mit seinem neuen Buch über Österreich. - © Peter Kainrath

Paul Lendvai: „Krisen nicht mit Demagogie bewältigbar“

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Die ÖVP steuere auf selbstmörderischem Kurs, warnt Paul Lendvai im FURCHE-Interview – und ein österreichischer Bundeskanzler solle nicht mit „autoritären Herren“ wie Orbán und Vučić gemeinsame Sache gegen die EU machen.

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Die ÖVP steuere auf selbstmörderischem Kurs, warnt Paul Lendvai im FURCHE-Interview – und ein österreichischer Bundeskanzler solle nicht mit „autoritären Herren“ wie Orbán und Vučić gemeinsame Sache gegen die EU machen.

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Prägnant und unverwechselbar – wie Paul Lendvais österreichische Stimme mit ungarischem Akzent – kritisiert er in diesem „härtesten Interview, das ich je über unser Land gegeben habe“ die gegen die EU gerichtete politische (Un-)Kultur Österreichs.

DIE FURCHE: Herr Lendvai, ich erreiche Sie in Graz, das sich als erste europäische Menschenrechtsstadt präsentiert. Aber unter anderem auch der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler stellt die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) in Frage. Sie waren selbst Flüchtling, was sagen Sie zu der Diskussion?

Paul Lendvai: Ich bin darüber empört und traurig. Weil Österreich durch diese Wortmeldungen das eigene Ansehen beschädigt. Es ist eine aus den Fugen geratene, chaotische und sinnlose Diskussion. Und zudem peinlich, weil man weiß, dass die EMRK nur von allen 46 Mitgliedsstaaten des Europarats geändert werden kann. In der Flüchtlingsfrage kann man nur durch europäische Beschlüsse etwas erreichen. Eine faire Aufteilung wäre im ureigensten Interesse Österreichs. Stattdessen kommen plakativen Angriffe vom Bundeskanzler und von einem von allen guten Geistern verlassenen Innenminister. Zuerst sogar auch gegen die Schengen-Erweiterung um das befreundete Fast-Nachbarland Kroatien. Es ist traurig, das ist die eine Dimension.

DIE FURCHE: Und die andere?

Lendvai: Es ist ein Selbstmord der ÖVP. Es gibt im Volksmund den Spruch: Man geht nicht zum Schmiedl, sondern zum Schmied. Die Volkspartei kann da nicht mit Wischiwaschi-Methoden operieren. Ganz klar, dann gehen die besorgten oder eingeschüchterten oder irregeführten Menschen zur FPÖ. Das ist leider ein Trauerspiel. Im Übrigen auch bei der SPÖ, die dazu ja auch keine Konzepte hat. Man kann Krisen nicht mit Demagogie bewältigen. Das ist leider, was der Bundeskanzler und Innenminister machen. Das führt die ÖVP in die Krise. Der Innenminister sollte sich mit den Landeshauptleuten zusammensetzen und die sechs von der Volkspartei regierten Länder zur Aufnahme von Flüchtlingen gemäß der Bund-Länder-Vereinbarung bringen. Das ist ja lächerlich, dass sie das nicht zusammenbringen. Man sollte Zuhause an einer Lösung arbeiten und nicht stattdessen in Belgrad gegen die EU eine Kampagne starten.

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