Land der Start-ups, Zukunftsreich

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Sie gelten als Inbegriff innovativer Unternehmen. Mit dem Start-up-Förderpaket will die Regierung die Wirtschaft ankurbeln, doch was bringt das den Jungunternehmern?

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Sie gelten als Inbegriff innovativer Unternehmen. Mit dem Start-up-Förderpaket will die Regierung die Wirtschaft ankurbeln, doch was bringt das den Jungunternehmern?

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Wenn der Server abstürzt, haben wir es geschafft", meinten die IT-Verantwortlichen von "Kiweno" im Halbscherz. Einen Tag später war das unmöglich Scheinende eingetreten. "Wir haben den Absturz als Zeichen des Erfolgs gefeiert", erzählt Geschäftsführerin Bianca Gfrei strahlend. Denn neben Rekord-Zugriffen auf die eigene Website hatte das Start-Up-Unternehmen bei der Puls 4-Casting-Show "Zwei Minuten, zwei Millionen" sieben Millionen Euro und damit das höchste Investment abgestaubt, das je in einer solchen TV-Show vergeben wurde.

"Wer Investoren überzeugen will, muss Experte auf seinem Gebiet sein und das Team für die Umsetzung haben", meint Gfrei. Die Tirolerin gründete mit zwei Kollegen Anfang 2014 ein Start-up. Die Idee dahinter war eine Online-Plattform, die eine niederschwellige Alternative zu labordiagnostischen Gesundheits-Tests bieten sollte. Eine Idee, von der sie die nötigen Geldgeber überzeugen konnte. Im Sommer 2015 gingen die ersten Selbsttests zu Nahrungsmittelunverträglichkeiten auf den Markt, ein halbes Jahr später kam ein Histamin-Selbsttest dazu. Weitere Produkte sollen folgen. "Wir sehen uns als Wissensplattform und Anlaufstelle für Menschen, die Fragen zu ihrem Wohlbefinden haben", erklärt Gfrei, die von vier auf 30 Mitarbeiter aufgestockt hat und im September nach Deutschland expandiert. Da kommen sieben Millionen Euro wie gerufen. Ihre Business-Idee nicht nur potenziellen Investoren, sondern auch hunderttausenden Fernsehzuschauern präsentieren zu können -für das junge Start-up "Kiweno" ist die Rechnung aufgegangen.

Stolpersteine am Start

Soviel Glück haben allerdings die wenigsten: Der Großteil der Jungunternehmer geht bei "Zwei Minuten, zwei Millionen" mit leeren Taschen und zerstörten Hoffnungen nach Hause - wie es vielen Jungunternehmern auch im echten Leben ergeht. Denn die Finanzierungsfrage sowie der "Förderdschungel" sind in Österreich zwei der größten Stolpersteine für Unternehmensgründer und solche, die es werden wollen. Dazu kommt der bürokratische Aufwand: Durchschnittlich 8,3 Stunden wöchentlich - mehr als einen gesamten Arbeitstag -verbringen Jungunternehmer mit Bürokratie, kritisiert die Junge Wirtschaft (JW). "Die Stimmung ist grottenschlecht", verlautbarte deren Bundesvorsitzender Herbert Rohrmair-Lewis zu Jahresbeginn anlässlich aktueller Umfrageergebnisse: Die Hälfte der hiesigen Jungunternehmer glaubt, dass es heuer mit Österreichs Wirtschaft bergab gehen wird. Diese pessimistische Innensicht wird durch eine dementsprechende Außenwahrnehmung bekräftigt: Österreich befindet sich laut dem "Networked Readiness Index" (NRI) des Weltwirtschaftsforums gerade in den für Start-Ups relevanten Indikatoren weltweit im letzten Drittel.

Schenkt man der Bundesregierung Glauben, steht nun eine Wende um 180 Grad bevor. Mit dem im Juli beschlossenen Start-Up-Programm soll Österreich zu einem "Vorzeige-Gründerland" werden. 185 Millionen Euro sollen über die nächsten drei Jahre für Förderungsmaßnahmen aus dem Steuertopf kommen, zusätzlich sollen 100 Millionen Euro an Garantien für die Anfangsphase von innovativen neuen Unternehmen aufgewendet werden. "Mit dem frischen Geld schaffen wir neue Jobs und können bis 2020 50.000 neue Gründungen auslösen", verspricht Wirtschafts-Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP). Das Maßnahmenpaket setzt nun Forderungen um, die heimische Start-ups, Interessensvertretungen und Experten seit langem äußern: Eine etwa ist, die Gründungsdauer für Start-Ups zu halbieren. Darüber hinaus soll das Fördersystem transparenter aufgebaut werden und dank 24-Stunden-Check soll man eigene Förderanträge prüfen können. Vereinfacht wird auch der Zugang zur Finanzierung: Zur Stärkung der Frühphasenfinanzierung wird über die Förderbank AWS (Austria Wirtschaftsservice) das sogenannte "PreSeed"-Förderprogramm um 20 Millionen Euro aufgestockt. Dazu sollen die akademischen Unternehmensgründungen mit einem speziellen Stipendiensystem im Ausmaß von jährlich fünf Millionen Euro gefördert werden. Via "Start-up-Visum" soll es selbstständigen Schlüsselkräften darüber hinaus erleichtert werden, in Österreich ein neues Unternehmen zu gründen.

Zustimmung bekommen aber vor allem zwei Maßnahmen, die laut Start-up-Szene längst überfällig waren: Einerseits die gestaffelte Lohnnebenkosten-Förderung für die ersten drei Mitarbeiter in den ersten drei Jahren des Unternehmens. Andererseits das Risikokapitalprogramm, das einen 20 Prozent-Investmentzuschuss für Beteiligungen bis maximal 250.000 Euro gewährt. Sogenannte Business-Angels, also Investoren und Förderer von Gründern, oder Privatpersonen sollen so ermutigt werden, ihr Vermögen in junge Unternehmen zu investieren und so indirekt Arbeitsplätze zu schaffen. Auch der Business-Angel-Fonds der Förderbank AWS wird um 10 Millionen Euro aufgestockt. Das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft hofft so auf insgesamt rund 100.000 neue Jobs bis zum Jahr 2020.

Wer gilt als "Start-up"?

Bei aller Euphorie für das Maßnahmenpaket steckt der Teufel laut Kritikern im Detail: Vor allem die Frage, welcher Start-Up-Begriff herangezogen wird, muss geklärt werden (siehe Interview rechts). Eine einheitliche Definition fehlt nämlich bisher im Maßnahmenkatalog. Während die Förderbank AWS und die österreichische Forschungsförderungs-Gesellschaft (FFG) mit eigenen Definitionen arbeiten, wurde für die Risikokapitalprämie und die Förderung der Lohnnebenkosten im Paket ein noch recht schwammiger Kriterienkatalog formuliert. Fest steht: "Innovativ" müssen die Unternehmen sein und "jung", wobei die Altersgrenze noch offen ist.

In diese ungenaue Kategorie fallen laut Start-up-Paket jährlich 1000 Neugründungen - angesichts der 29.311 Unternehmen (exkl. Personenbetreuer), die laut Wirtschaftskammer im Vorjahr österreichweit gegründet worden sind, eine überschaubare Menge. "Aus Start-up-Sicht ist das Paket sensationell, aus Sicht der Jungen Wirtschaft allerdings nur ein Teilaspekt", kritisiert Rohrmair-Lewis von der Jungen Wirtschaft. Für ihn ist unverständlich, warum sich die Bundesregierung nur auf "innovative Start-Ups" beschränkt. "Das wäre so, als würden nur zehn von 100 Mitarbeitern in einem Unternehmen eine saftige Gehaltserhöhung bekommen", meint er. "Will die Bundesregierung tatsächlich etwas bewirken, können sich Maßnahmen wie die geplante Lohnnebenkostenbefreiung nicht nur an diese kleine Zielgruppe richten, sondern müssen unbedingt auch für Jungunternehmer eingeführt werden." Immerhin schafft laut Junger Wirtschaft jedes neu gegründete Unternehmen schon im ersten Jahr 2,4 Arbeitsplätze.

Kleinste fallen aus dem Raster

Vorausgesetzt, es handelt sich nicht um ein Ein-Personen-Unternehmen (EPU). Mit 81,5 Prozent machen sie den Löwenanteil aller Neugründungen und somit einen Großteil der österreichischen Gründerlandschaft aus. Sie fallen bei den Maßnahmen der Bundesregierung wohl aus dem Raster, selbst wenn sie die Kriterien von "jung" und "innovativ" erfüllen sollten. "Ich habe mich von Anfang an als Start-Up gefühlt", kritisiert etwa die Kommunikationswissenschafterin Stefanie Kukla. Sie hatte 2012 die Idee für ein einzigartiges Multifunktions-Kleid. Anfang 2015 schmiss sie ihren Job, investierte 40.000 Euro aus eigener Tasche, nahm am Unternehmungsgründungs-Programm des Arbeitsmarktservices (AMS) teil und bewarb sich auch bei der Start-up-Show "Zwei Minuten, zwei Millionen". Ihr Konzept ging auf. Nicht nur, dass die Quereinsteigerin im Dezember mit ihrem Web-Shop online ging und mittlerweile einen positiven Cashflow erzielt, erhielt sie bei der Show eine 50.000 Euro-Investition, mit der sie ihr Unternehmen vorantreiben konnte. Inzwischen hat sie ihre erste Mitarbeiterin -und aus dem Ein-Personen-Unternehmen ist eine GmbH geworden, die Jobs schafft. Vielleicht ist das auch die Chance des Start-up-Förderpakets: Dass es sich ähnlich inspirierend auf Österreichs Gründerlandschaft auswirkt und ermutigt, noch kreativer, noch innovativer und wachstumsorientierter zu denken.

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