Weniger Schutz, mehr Markt

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Das von der neuen Bundesregierung zu beschließende Budget 2000 wird zur Nagelprobe für die bedrängte Landwirtschaft, zumal die am 30. November 1999 beginnenden WTO-Verhandlungen im amerikanischen Seattle zur Götterdämmerung werden könnten, wenn sich die Verfechter der Liberalisierung des Weltagrarmarktes durchsetzen sollten. Folgende Entwicklungen zeichnen sich ab: These 1: Die Agrarpolitik wird sich in Hinkunft noch mehr am Markt zu orientieren haben und in eine integrierte Wirtschaftspolitik für den ländlichen Raum münden. Sie wird also in Zukunft weniger als bisher eine sektorale Politik als vielmehr eine territorial definierte sein, die den neuen gesellschaftlichen Prioritäten Rechnung trägt: der Ernährungssicherung, der Pflege der Kulturlandschaft und dem Erbringen von Umweltleistungen, nachwachsende Rohstoffe, Dienstleistungen - also der Multifunktionalität.

These 2: Die Märkte werden sich vermutlich auseinanderentwickeln, und zwar in internationale Massen- und regionale Qualitätsmärkte, Marktordnungen als Instrument der Agrarpolitik und zum Schutze der Landwirtschaft werden an Bedeutung verlieren, Umwelt- und Kulturlandschaftszahlungen an Bedeutung gewinnen.

These 3: Die flächendeckende Landwirtschaft in Europa auf der Grundlage des Europäischen Agrarmodells wird entscheidend davon abhängig sein, ob es im Rahmen der WTO-Verhandlungen gelingt, ökologische Produktionsstandards zu definieren und die Multifunktionalität der Landwirtschaft als allgemein verbindliches Leitbild zu verankern.

These 4: Die politisch beschlossene Ost-Erweiterung erfordert die konsequente Umsetzung der Agenda 2000. Die Ost-Erweiterung der EU wird aber später als geplant realisiert.

These 5: Die europäische Landwirtschaft wird 2010 stärker regional differenziert, marktorientiert und multifuktional sein. Sie wird auch wettbewerbsfähiger werden, wozu leistungsfähige, genossenschaftliche Vermarktungsunternehmen unerläßlich sind.

Für die nächste Legislaturperiode ist die Umsetzung der Reformen im Rahmen der Agenda 2000 Hauptziel. Für die Agrarverwaltung ist das eine ebenso große Herausforderung wie der EU-Beitritt. Das Landwirtschaftsministerium, das heute schon durch seine Kompetenzen Land-, Forst- und Wasserwirtschaft wesentliche Ressourcen in Österreich - mehr als 80 Prozent der Fläche Österreichs - managt, wird sich in Zukunft verstärkt zu Fragen der Entwicklung ländlicher Regionen zu Wort melden müssen.

Der EU-Beitritt sollte aber in der kommenden Legislaturperiode für eine Kompetenzbereinigung zwischen Bund und Ländern (Bundesstaatsreform) genutzt werden.

Der Autor ist Gruppenleiter im Landwirtschaftsministerium in Wien.

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