Elisabeth Oberzaucher zu Meike Stoverocks "Female Choice"

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„Female Choice“: Die Krise der Männlichkeit ergibt sich aus dem uralten Prinzip der weiblichen Partnerwahl, so Meike Stoverock in ihrem umstrittenen Buch. Was sagt eine Biologin dazu?

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„Female Choice“: Die Krise der Männlichkeit ergibt sich aus dem uralten Prinzip der weiblichen Partnerwahl, so Meike Stoverock in ihrem umstrittenen Buch. Was sagt eine Biologin dazu?

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DIE FURCHE: Wie verhält es sich mit der „Damenwahl“ – „Female Choice“ – im Tierreich, und wie lässt sich dieses Prinzip mit Blick auf die Evolution erklären?
Elisabeth Oberzaucher:
Die Partnerwahl im Tierreich ist sehr komplex; es lässt sich also nicht verallgemeinern, dass es stets eine Damenwahl gibt. Speziell bei Vögeln, Fischen und einigen Säugetieren ist der umgekehrte Fall zu beobachten – die männliche Wahl. Oft gibt es auch Mischformen aus „Male“ und „Female Choice“. Das zeigt sich dann auch später bei der elterlichen Fürsorge: Bei den Seepferdchen zum Beispiel kümmern sich die Männchen um den Nachwuchs; bei den Singvögeln ist die Fürsorge recht gleich verteilt. Der Grund, wer den Partner wählt, wird in diesem elterlichen „Investment“ gesehen: Der Sexualpartner wird von jenem Geschlecht ausgesucht, das mehr „Kosten“ bei der Kinderaufzucht zu tragen hat.

Oberzaucher elisabeth - © Foto: privat

Elisabeth Oberzaucher

Elisabeth Oberzaucher erforscht menschliches Verhalten aus evolutionärer Sicht – darunter auch die Mysterien der Partnerwahl. Die Biologin ist Autorin von „Homo urbanus“ (Springer, 2017) und langjähriges Mitglied beim Wissenschaftskabarett „Science Busters“.

Elisabeth Oberzaucher erforscht menschliches Verhalten aus evolutionärer Sicht – darunter auch die Mysterien der Partnerwahl. Die Biologin ist Autorin von „Homo urbanus“ (Springer, 2017) und langjähriges Mitglied beim Wissenschaftskabarett „Science Busters“.

DIE FURCHE: Von islamistischen Gruppen bis zum Frauenhass im Internet: Unfreiwillig zölibatäre Männer, sogenannte Incels, gelten heute als Gefahr. Wie sehen Sie dieses Phänomen als Verhaltensforscherin?
Oberzaucher:
Formen starker Ungleichheit sind nicht gut für eine Gesellschaft: Das gilt nicht nur bei den finanziellen Ressourcen, sondern auch bei den Möglichkeiten, einen Partner zu finden. Die Institution der Ehe erfüllt hier in gewisser Weise die Funktion, das Konfliktpotenzial zu reduzieren. Heiratssysteme sind aber kulturell sehr unterschiedlich. Menschen sind also nicht nur für ein Modell gemacht. Flexibilität ist ein Erfolgsrezept unserer Spezies.

Nur weil Männer keinen Sex haben, werden sie nicht zu Unmenschen. Es gibt große Unterschiede, wie Enthaltsamkeit empfunden wird.

DIE FURCHE: Aber wenn sich nun weniger Menschen für eine Ehe entscheiden und manche Männer keine Frau mehr finden – ergibt das dann nicht einen beunruhigenden Testosteronstau?
Oberzaucher:
Nur weil Männer keinen Sex haben, werden sie ja nicht zu Unmenschen. Es gibt doch ganze Berufssparten, die sexuell enthaltsam leben. Und große individuelle Unterschiede, wie Enthaltsamkeit empfunden wird. Die Gefahr durch die unfreiwillig zölibatären Männer (Incels) sehe ich vielmehr in der sozialen Ausgrenzung. Und in den gesellschaftlichen Idealen, wie ein – männliches – Leben auszuschauen hat: Partnerin finden, Familie gründen, Haus bauen etc. Das erzeugt einen Druck, der nichts mit dem Sexualtrieb zu tun hat. Die Biologie wird in dieser Diskussion oft als rechtfertigendes Argument missbraucht. Doch als soziale Wesen sind Menschen ihrer biologischen Grundausstattung nicht ausgeliefert.

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