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Advent — nicht mehr warten
Nicht mehr warten. Das längst als richtig Erkannte endlich tun.
Endlich sagen:
Das ist keine Politik für mich.
Das ist keine Weltanschauung für mich.
Das ist kein Glaube für mich.
Das ist kein Beruf für mich.
Das ist kein Leben für mich.
Nicht mehr waren.
Andere nicht mehr vertrösten.
Endlich sagen:
Ich werde dich besuchen.
Ich werde mit dir reden.
Ich werde etwas für dich tun.
Ich werde lernen, dich zu verstehen. Nicht mehr warten.
Wissen, es gibt ein „zu spät“.
Nicht mehr verschieben.
Den Krankenbesuch - und dann ist der längst gesund.
Das Gespräch mit dem Kind - und dann ist es schon erwachsen.
Das Gespräch mit dem Vater - und dann ist er schon tot.
Eine Reise, ein Fest, die Memoiren. Zu spät.
Nicht mehr warten.
Unterscheiden lernen zwischen gutem und bösem Warten.
Wissen, daß Geduld eine Untugend werden kann und Ungeduld eine Tugend.
Nicht mehr warten.
Wo ein Adventlicht angezündet wird, da hat die Finsternis ein Stück Land verloren.
Überall,wo ein Adventlicht brennt, ist ein Mensch in der Nähe, der nicht mehr warten will.
Nicht mehr warten.
Wo ein Adventlicht brennt, da müssen sich die Atomverbrecher fürchten; da müssen die Ausbeuter erschrecken; da müssen die Unterdrücker zittern. Nicht mehr warten.
Einsame bekommen Besuch.
Alte Menschen kehren ins Leben zurück.
Ich habe endlich Zeit zum Leben und zum Glücklichsein.
Nicht mehr warten.
Ich wünsche mir, daß endlich so ohne jede Voranmeldung — ein Engel zu mir kommt: ein richtiger Engel.
Wie er in den Kinderbüchern aussieht:
Ein langes, weißes Gewand, und üppiges goldblondes Haar und mit großen Engelsflügeln.
Ich wünsche mir, daß ein richtiger Engel zu mir kommt, der aussieht wie ein richtiger Engel.
Denn Engel ohne Flügel sind schon viele bei mir gewesen.
Selig sind,
die nicht mehr warten können.
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