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Von alters her...
DAS GRIECHISCHE HEILIGTUM. Heraion Bücherei Band 211. Piper-Verlag, München,
„Denn glaube, der Weg war bereitet dann schon dem kommenden Herrn!“ — Dieser Vers des Pruden-tius, der im konstantinischen Zeitalter das Verhältnis von heidnischem Reich und christlicher Kirche in Worte faßt, könnte wohl als Motto über dem vorliegenden Büchlein stehen. Es erklärt uns die Geschichte eines Tempelbezirkes, der durch alle Jahrhunderte griechischer Geschichte bis in die römische Kaiserzeit ein Wallfahrtsort war, ein gottesdienstlicher und eben darum ein künstlerischer, politischer und wirtschaftlicher Mittelpunkt; und all das darum, weil hier seit vorgriechischen, also vorgeschichtlichen Zeiten das Heiligtum der Muttergottheit war, der Tempel mit ihrem heiligen Baum und heiligen Quell. Die Archäologie, die Wissenschaft des Spatens, ist gar oft nur mühsam und nüchtern; doch an Orten wie diesem wird sie romantisch. Wer würde nicht von Schauer erfaßt, wenn er hier den tatsächlich ausgegrabenen Stumpf jenes heiligen Baums sieht, den vor vierhalbtausend Jahren die Menschen der Insel mit kosmischen Märchen umkränzten und heilig hielten? Wer könnte ohne Bewegung die Apsis sehen, in der auf den Trümmern des Tempels die Gottesmutter der Christen verehrt wurde — und die selbst schon längst zur Ruine wurde? Nun ja ... die Polemik gegen die katholische Marienverehrung hat ja sattsam die Tatsache ausgeschlachtet, daß unser traditioneller Typ des Wallfahrtsorts mit von Sa mos. Von Hans Walter. Piper-1963. 93 Seiten mit 85 Abbildungen. DM 4.50.
Muttergotteskirche, geweihter Quelle und geweihtem Baum sachlich und oftmals, so wie hier, örtlich identisch ist mit dem Heiligtum der heidnischen Muttergöttin. Aber waren die Urchristen so töricht, daß sie nicht wußten, ihr Erscheinungsfest wäre das altheidnische Fest der jungfräulichen Geburt? Sehr wohl wußten sie es, und hatten eben darum den Tag so gewählt; damit sagten sie, ihr neugeborener Messias sei die Erwartung der Ewigen Hügel, ihre Gottesgebärerin sei die schon immer vorausgesagte, vorausgesehene. An Orten wie dem hier besprochenen versteht man, warum die Kirche am Marienfest singt: „Von Ewigkeit her bin ich bestimmt, und von alters her, bevor die Erde ward. Noch waren die Abgründe nicht, und schon war ich empfangen; vor den Hügeln wurde ich geboren.“
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