Werbung
Werbung
Werbung

Wolfgang Haipl, Mitinhaber der "Arge der Innenarchitekten Haipl & Haumer", im Furche-Interview über die Hintergründe des Wohlbehagens und wie man es sich am besten in der eigenen Wohnung gemütlich macht.

Die Furche: Einen großen Teil unserer Zeit verbringen wir in Innenräumen. Entsprechend wichtig ist daher deren Ambiente. Wie geht man die Wohnungsgestaltung am besten an?

Wolfgang Haipl: Mit Ehrlichkeit. Wenn falsche Erwartungen vermieden werden und die Ehrlichkeit dominiert, dann kann nichts mehr schief gehen. Man muss sich fragen, was man selber erwartet. Ich rate den Leuten immer, sich genau aufzuschreiben, was an ihrer derzeitigen Wohnsituation positiv und was negativ ist und auch was in der neuen Wohnung auf keinen Fall sein soll und worauf sie andererseits nicht verzichten möchten. Wenn man das gründlich macht, dauert das mindestens drei Wochen, aber danach ist man sich im Klaren über die eigenen Erwartungen.

Die Furche: Eine der wichtigsten Erwartungen an eine Wohnung ist, dass man sich in ihr wohl fühlt. Wie lässt sich der Begriff Behaglichkeit definieren?

Haipl: Das ist sehr schwierig und ganz individuell. Was Behaglichkeit für uns ist, vermitteln uns unsere fünf Sinne. Jeder dieser Sinne für sich hat dabei 80 Prozent Wert im Zusammenspiel mit den anderen Sinnen. Also macht etwa der Sehsinn 80 Prozent unserer Wahrnehmung aus - in Kombination mit den anderen Sinnen. Es kann sehr störend sein, wenn zum Beispiel die persönliche Farbharmonie sehr stark dem Empfinden der anderen Bewohner widerspricht. Dann nützen alle anderen vier Sinne zum Ausgleich nichts mehr. Daher ist auch Abstimmung mit den Mitbewohnern das Um und Auf der Behaglichkeit.

Die Furche: Sie haben schon die Bedeutung der Farben angesprochen. Woher kommt die starke Wirkung der Farben auf den Menschen?

Haipl: Die Farbneigung hat drei Ursachen: Das ist zum einen Erziehung und Erfahrung. Dieser Bereich macht am wenigsten aus. Das zweite ist eine archetypische Neigung zu bestimmten Farben, die so original ist wie der eigene Fingerabdruck. Und das dritte und ursprünglichste ist die Evolution: Wir empfinden den Himmel als blau, obwohl wir seit Bestehen der Raumfahrt wissen, dass er schwarz ist. Das Blau ist die Distanz. Das sind ursprünglichste Erfahrungen: Alles was weit weg ist, ist kalt und blau. Andererseits ist das, was in unmittelbarer Nähe ist, rot: das eigene Blut, das wärmende Feuer. Folglich auch die Liebe.

Die Furche: Welche Bedeutung haben Farben in der Raumgestaltung?

Haipl: Grundsätzlich kann man sagen, alle kalten Farben schaffen, genauso wie glatte Oberflächen, Distanz. Warme Farben und strukturierte Oberflächen dagegen erscheinen näher. Das heißt also, mit Farben wie blau und Oberflächen wie Stein, Glas oder Metall wirkt der Raum weiter. Der Inbegriff der Kälte und Glattheit ist der Spiegel - er verdoppelt. Mit Farben wie rot und Materialien wie Holz verkleinert man dagegen den Raum. Es kann also eine optische Raumkorrektur erreicht werden.

Die Furche: Gibt es Farben, die man vermeiden sollte?

Haipl: In Schlafzimmern sollte blau vermieden werden, das ist zu kalt, zu ungemütlich. Dagegen ist blau in der Küche fast eine Pflichtfarbe, weil Insekten blau nicht mögen, und in der Küche kann man ja kein Ungeziefer brauchen. Orangetöne mögen sie dagegen sehr, die sollte man also in der Küche nicht einsetzen. Auch flaschengrün setzt man in der Küche und in Bereichen, in denen gegessen wird, besser nicht ein, weil Speisen in Verbindung mit dieser Farbe unappetitlich ausschauen. Im Gegensatz zu blau - da rinnt einem das Wasser im Mund zusammen.

Die Furche: Was muss man beim Zusammenspiel verschiedener Materialien und Farben beachten?

Haipl: Es gibt eine materielle, eine ästhetische, eine farbige Hierarchie. Man kann nicht sagen, rot ist schön und blau ist schön, wie schön muss das erst zusammen sein. Das ist wie mit Zucker und Salz: Beides ist gut, aber nicht zusammen. Ich brauche in einem Raum eine Rangordnung. Und wenn ich mich für eine Farbe entschieden habe, weil sie mir gefällt oder aus Notwendigkeit wegen der Wirkung, haben sich alle anderen Farben dieser einen Farbe unterzuordnen. Das gleiche gilt auch für Materialien und Stile. Natürlich ist es möglich, verschiedene Stile zu kombinieren. Aber das muss man können. Es kann nicht gut gehen, wenn man in einen Raum mit Möbeln aus einem Billig-Einrichtungshaus einen Barocksekretär stellt.

Die Furche: Sie haben eben mit dem Barocksekretär ein edles und begehrtes Möbelstück angesprochen. Warum wird so gern auf Altes zurückgegriffen?

Haipl: Klassiker haben einen hohen Stellenwert. Dafür kann es verschiedene Gründe geben: Der primitivste ist der Repräsentationswert. Ein anderer möglicher Grund ist, dass sich ja schon andere in der Vergangenheit mit diesen Möbeln wohl gefühlt haben. Warum also soll man etwas riskieren, indem man Modeerscheinungen nachgibt? Und der dritte und echteste Grund ist, dass man ein Möbelstück schon von denEltern oder Großeltern her kennt und lieb gewonnen hat. Dann ist es ein Mitbewohner geworden.

Die Furche: Ein wichtiger Faktor in der Raumgestaltung ist auch das Licht. Wie geht man am besten mit Fensterbereichen um?

Haipl: Egal, ob die Sonne scheint oder nicht, wir haben das Gefühl, vom Fenster kommt Leben, Luft, Licht herein. Daher ist die Zone in Fensternähe besonders behutsam zu gestalten, möglichst frei zu lassen oder nur mit niedrigen Elementen zu versehen. Vom Fenster ausgehend sollten die Möbel in den Raum ansteigend, also in der Reihenfolge niedrig, mittel, hoch angeordnet werden.

Die Furche: Und wie gestaltet man die künstliche Beleuchtung?

Haipl: Ideal ist, wenn man in jedem Raum mindestens drei Lichtquellen hat, mit denen man gezielt umgeht. Das Primärlicht ist einfach nur dazu da, dass es im Raum allgemein hell ist, dass man etwas sieht. Das zweite ist das funktionelle Licht, etwa die Arbeitstischbeleuchtung, die einen bestimmten Bereich, wo mehr Licht gebraucht wird, erhellt. Und das Akzentlicht ist ein Licht, das gezielt zum Beispiel auf ein besonderes Bild oder auf einen schönen Blumenstock gerichtet wird, um zu betonen.

Die Furche: Welche Leuchtmittel sind empfehlenswert?

Haipl: Wichtig ist, dass man nicht verschiedene Lichtfarbtemperaturen mischt. Welches Leuchtmittel man einsetzt, ob zum Beispiel Glühbirne oder Halogenlicht, ist aber egal, denn das Auge gewöhnt sich an das Licht und korrigiert es so, dass wir die Farben um uns herum naturgetreu wahrnehmen.

Die Furche: Immer mehr Menschen beziehen in die Planung ihrer Wohnungen Feng Shui, die fernöstlichen Lehre vom Leben in Harmonie mit der Umgebung, ein. Ist Feng Shui nötig, um sich wohl zu fühlen?

Haipl: Feng Shui ist genauso eine alte Weisheit, wie sie auch unsere Großmütter hatten, aber sie ist nicht für Europa. Feng Shui eignet sich für den Fernen Osten. Dort gehört es hin. Unsere Kultur- und Geistesgeschichte basiert auf gänzlich anderen Erfahrungen. Daher ist Feng Shui bei uns nicht wirklich anwendbar. Wir brauchen es auch gar nicht. Bei uns müsste es einfach nur "Hausverstand" heißen. Jeder merkt ja selber, was unangenehm ist und was nicht. Zum Beispiel setzt man sich nicht gern in einem Lokal mit dem Rücken zu einer Tür, sondern lieber zur Wand mit Blick zum Eingang. Das sind zwar auch Elemente des Feng Shui, aber die haben wir ebenfalls schon immer bei der Raumgestaltung angewendet, damit der Mensch sich wohl fühlt.

Die Furche: Kann jeder seine Wohnung so gestalten, dass er sich wohl fühlt?

Haipl: Ursprünglich kann das jeder. Wir wurden nur verdorben. Durch die Postwurfsendungen von Möbelhäusern zum Beispiel, die uns zeigen, wie angeblich eine Wohneinheit aussieht, in der wir uns wohl fühlen. Man muss sich das Können schwer zurück erarbeiten. Die besten Wohnungen wären ja die, wo ein Architekt nichts zu tun hat. Wenn die Menschen ihre Wünsche und Bedürfnisse genau kennen würden, wären keine Innenarchitekten nötig. Aber eine schlechte Wohnungseinrichtung hat eine ähnliche Wirkung wie eine falsche Medizin. Es ist nur noch kaum jemand nachweisbar daran zugrunde gegangen.

Das Gespräch führte Claudia Feiertag.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung