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„Dienst am Wort“

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Prof. Dr. Roman Herle, stellvertretender Chefredakteur der „Furche“, weilt nicht mehr unter uns. Am 21. September um 4 Uhr morgens wurde er, knapp vor Erreichung des 65. Lebensjahres, von dieser Erde abberufen. Der Verlust, den die österreichische Journalistik und die Redaktion der „Furche“ erleiden, ist überaus schwer. Denn Prof. Herle war und blieb Vollblutjournalist bis in die letzte Phase »eines Daseins. Obwohl seit elf Jahren von einem Leiden befallen, das immer stärker wurde und ihn körperlich immer mehr behinderte, machte er bis knapp zwei Wochen vor seinem Tod Dienst in der „Furche“ und schleppte sich mühsam, Tag für Tag, in die Redaktion. Er stellte den Dienst am Wort hoch über das Denken an die eigene Person.

Prof. Herle gehörte dem Haus Herold seit langem an. Geboren 1905 in Neunkirchen, trat er knapp nach Erreichung des philosophischen Doktorates in die Redaktion der „Reichspost“ ein. In seine Jugend- und Gymnasialjahre war der erste Weltkrieg gefallen, der für die Neunkirchner Gegend besondere Hungersnöte mit sich brachte. In der Zeit, da der Körper viel Nahrung zum Aufbau benötigt, konnte sich der junge Herle nie sattessen. Und diese schwere, frühe Beeinträchtigung hat es vielleicht mit sich gebracht, daß er im späteren Leben Krankheiten, die ihn heimsuchten, nicht so widerstehen konnte wie andere Menschen. Auch war er von Natur aus hochsensibel und litt dadurch mehr als mancher andere unter der Last seines Berufes.

Der stilistisch hochbegabte junge Akademiker, der außerdem ein perfekter Latinist und Graecist war, der die ganze humanistische Bildung in sich aufgenommen hatte, wurde nach seinem Eintritt in die „Furche“ Schüler Doktor Funders in der Ausbildung zum Journalisten. Wer je diese Ausbildung durchgemacht hat, weiß, daß sie nicht leicht war. Richard Schmitz, Vizekanzler a. D. und nach 1946 Generaldirektor des Herold-Verlages, in seiner Jugend auch Redakteur der „Reichspost“ und Schüler Dr. Funders, erzählte manchmal, tuie schwer auch für ihn diese Ausbildungsstunden gewesen seien. Wenn Dr. Funder einmal ein Talent erkannt hatte, dann schliff er dieses so lange, bis daraus ein journalistischer Edelstein geworden war. Und Doktor Herle wurde bald ein journalistischer Edelstein. Als das „Kleine Volksblatt“ anfangs 1929 als erstes katholisches Massenblatt gegründet wurde und sich eine Elite von Journalisten aussuchte, war Dr. Herle einer der ersten, der in die Redaktion dieses Blattes eintrat.

Er gehörte ihr an, bis er im Jahre 1941 zur deutschen Wehrmacht einrücken mußte. Unter dem Chef Hermann Mailler war er Lokalchef, Kunstressortleiter und später auch Chefredakteurstell-vertreter.

Als der Film noch für viele Katholiken eine sehr problematische Erfindung war, wandte Herle ihm sein Interesse zu, um auch in dieser Kunst das Positive zu finden und zu erkennen. Bald wurde Dr. Herle einer der besten Filmkritiker nicht nur seines Blattes, sondern Österreichs, ja vielleicht Europas. Im Laufe seiner Tätigkeit hat er gegen 11.000 Filmkritiken verfaßt, die in ihrer Kürze dennoch von unübertrefflicher Feinheit waren. 1941 mußte Dr. Herle, wie erwähnt, zur deutschen Wehrmacht einrücken. Er kam nach Rußland und blieb in Rußland bis 1947. Die Schrecken der Winterfeldzüge haben seinem sensiblen Gemüt besonders zugesetzt. Einmal versuchte ein russischer T-34-Tank Herle, der in einem Schneeloch Wache hielt, durch Überfahren und Niederwalzen zu erledigen. Wie durch ein Wunder überstand Herle die tödliche Gefahr. Seine Nerven und seine Gesundheit aber waren durch Krieg und Gefangenschaft nicht besser geworden. 1947 zurückgekehrt, mußte er erfahren, daß seine gesamte Wohnung einschließlich der großen Bibliothek ein Opfer des Bombenkrieges geworden war. Dr. Funder holte seinen ehemaligen Schüler sogleich in die Redaktion der .furche“. Und hier nun sollte er die mannigfachsten Aufgaben erfüllen, angefangen mit dem Verfassen seiner berühmten Filmkritiken bis zur Tätigkeit eines Leiters der Redaktion zu einer Zeit, da Doktor Funder schon sehr kränklich war. 1957 freiwillig von diesem Posten zurückgetreten, wurde Herle stellvertretender Chefredakteur. Diese Funktion hatte er bis zu seinem Tode inne. Prof. Herle hat viele Auszeichnungen erhalten: den Professorentitel, den Leopold-Kunschak-Preis, den Anerkermungspreis der Kardinal-Innitzer-Stiftung, den Volksbildungspreis des Bundesministeriums für Unterricht und der Stadt Wien. Er war Ehrenmitglied der Katholischen Filmkommission und der Gesellschaft für Filmwissenschaft. Aber als seine größte Auszeichnung sah er es an, daß er dem Haus Herold und der „Furche“ angehörte, denen er bis zuletzt in unwandelbarer Treue diente.

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