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Ion guten und von schlechten Österreichern

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Ein paar Richtigstellungen aus Anlaß des 25. Todestages des österreichischen Dramatikers Franz Theodor Csokor.

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Ein paar Richtigstellungen aus Anlaß des 25. Todestages des österreichischen Dramatikers Franz Theodor Csokor.

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”nter dem Titel „Sind nur Emigranten gute Österrei- eher?“ war in der „Nationalzeitung“ vom 27. September 1985 in einem ungezeichneten Artikel zum 100. Geburtstag von Franz Theodor Csokor folgendes zu lesen: „Während die Wiener der Deutschen Wehrmacht zujubelten und im Burgtheater Cso- kors ,3. November 1918’ gespielt wurde, emigrierte Csokor, der noch 1928 ein Treuebekenntnis zu Großdeutschland abgelegt hatte, nach Polen und flüchtete vor der Deutschen Wehrmacht über Rumänien nach Jugoslawien, wo er sich den mörderischen Tito-Parti- sanen anschloß.“ An diesem Satz stimmt fast alles.

Richtig ist, daß ein Teil der Wiener Bevölkerung am Y5. März 1938 am Heldenplatz stand. Daß zu diesem Zeitpunkt Csokors berühmtestes Stück „3. November 1918“, das am 10. März 1937 am Wiener Burgtheater uraufgeführt worden war, gespielt wurde, stimmt allerdings nicht — es war bereits lange davor abgesetzt worden. Dieses Drama ist nämlich ein Plädoyer für einen übernationalen Staat, als den Csokor die Habsbur

ger-Monarchie gesehen hatte und wie er von jenem österreichischen Emigranten, der als deutscher Reichskanzler Österreich auslöschte, abgelehnt worden war.

Den Nachweis, daß Csokor 1928, in jenem Jahr also, in dem er das Stück „Gesellschaft der Menschenrechte“ schrieb, ein Treuebekenntnis zu Großdeutschland abgelegt hat, muß die „Na

tionalzeitung“ noch erbringen. Denn gerade dieses Stück um Georg Büchner ist eine Absage an das politische Engagement von Dichtem und ein Appell an die Menschlichkeit.

Richtig ist weiters, daß Csokor eine Woche nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich eine Einladung des polnischen PEN-Clubs dazu benützte, nach

Polen zu emigrieren. Er hatte aufgrund seiner Nachdichtung von Zygmunt Krasinskis dramatischem Gedicht „Die ungöttliche Komödie“ (1929) und durch seinen in Chorzow ansässigen Freund Theo Holtz gute Kontakte dorthin. Nicht zuletzt aus Dankbarkeit für die Gastfreundschaft Polens schrieb er im Exil das von der im 14. Jahrhundert lebenden,

polnischen „Friedenskönigin“ handelnde Stück „Jadwiga“.

Mit nichts zu belegen hingegen ist, wenn die „Nationalzeitung“ am Ende dieses Artikels den Eindruck zu vermitteln versucht, nur wohlhabende Menschen können emigrieren: „Als Csokor die Ansicht äußerte, ein guter Österreicher sei nur, wer emigriert war, mußte er sich von der ,Kronen- Zeitung1 die Frage gefallen lassen, mit welchem Geld die Massen bei der vor 1938 herrschenden allgemeinen Armut die Fahrt ins Ausland hätten finanzieren sollen.“ Tatsache ist, daß Franz Theodor Csokor nur mit einem kleinen Koffer und seiner geliebten Reiseschreibmaschine Wien verließ. Von der vor(!) 1938 „herrschenden allgemeinen Armut“ war nämlich auch Csokor betroffen - und zwar zeitlebens. Auffallend ist jedoch, daß sich die „Nationalzeitung“ problemlos auf die „Kronen-Zeitung“ berufen kann.

Zutreffend ist, daß Csokor im September 1939 neuerlich vor den deutschen Truppen über Czernowitz nach Bukarest flüchtete. Von dort überlieferte er seinem Freund Victor Wittner einen Ausspruch eines rumänischen Regisseurs in die Schweiz: „Und wenn Du, was Gott verhüten möge, jemals von hier fort mußt, reise nur nie in tugendhafte Länder. Die lassen Dich mit salbungsvollen Sprüchen untergehen. Nur Sünder sind es, die die Not verstehen.“

Csokor, und das ist wiederum richtig in dem Satz der „Nationalzeitung“, mußte leider doch von

dort fort. Er „reiste“ im November 1940 weiter nach Belgrad. Daß er sich je den „mörderischen Tito-Partisanen“ angeschlossen hat, ist allerdings schlicht falsch. In Wahrheit floh Csokor im April 1941 über Split auf die Insel Korčula und im August 1943, nach der Befreiung Unteritaliens durch die Alliierten, weiter nach Bari, wo er britischer Liaisonoffizier wurde.

Nachzulesen ist das alles in den Büchern „A civilian in the Polish war“ (1940) und „Als Zivilist im Balkankrieg“ (1947). Die beiden Erlebnisberichte zusammengefaßt hat er 1955 unter dem Titel „Auf fremden Straßen“ herausgegeben. Gestorben ist Franz Theodor Csokor nicht, wie die „Nationalzeitung“ vermeldete, am 3., sondern am 5. Jänner 1969.

P.S. Leider sind die zuletzt genannten Werke, die gerade auch im Hinblick auf den neuen Balkankrieg lesenswert sind, längst nicht mehr erhältlich. Umso größer das Verdienst des Kleinverlegers Franz Richard Reiter, der im vergangenen Jahr in einem Band „Briefe und Gedichte aus dem Exil“ sowie drei wichtige Dramen neu aufgelegt hat:

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