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Genie der Freundschaft

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Der Dramatiker Franz Theodor Csokor war einer der großen Mythenbildner dieses Jahrhunderts; Kunst war für ihn „Fortarbeit an der Schöpfung“.

Am 6. September wäre Csokor hundert Jahre alt geworden. Unsere Bühnen, so erwartete man, würden wenigstens eines seiner Stücke Im Jubiläumsjahr spielen: Das Büchner-Drama „Die Gesellschaft der Menschenrechte“ oder „Jadwiga“, „Kalypso“ oder vielleicht sogar das Alterswerk „Alexander“. Nichts von dem geschah. Csokor bleibt — wie seit Jahren - bei uns ungespielt. Die Ehre unseres Geisteslebens wurde vom Fernsehen gerettet, das Csokors „3. November 1918“ wieder ausstrahlte, und vom österreichischen PEN-Club, der zu einem Csokor-Symposion in die Nationalbibliothek einlud.

Es unterschied sich wohltuend von anderen Tagungen, indem es weder im Spezialistentum erstarrte, noch auf das Niveau oberflächlicher Tischgespräche absank, sondern die Tiefe und Bedeutung des Csokorschen Werkes beleuchtete.

Die Zuhörer, unter ihnen erstaunlich viele junge Menschen, die bis auf den letzten Platz das Barock-Oratorium füllten, wußten Dank dafür, daß sich keiner der Redner zu methodischen Reflexionen verpflichtet fühlte. Obwohl der erste Block des dicht gefüllten Programms zwei Stunden in Anspruch nahm, blieb das Interesse ungebrochen. PEN-Präsi-dent Erik G. Wickenburg skizzierte behutsam den Neubeginn nach dem Exil. Zoran Konstantinovic stellte die Grundpole in Csokors

Werk und Wirken, „Tradition und Humanität“, ohne Pathos, und gerade dadurch überzeugend, dar. György Sebestyen analysierte mit klaren Gedankengängen Csokors Gestalt als „Meister und Bohemi-en“. Felix Franchy las einen Beitrag von Milo Dor, der die wichtigsten Werke Csokors und seine Weltschau anschaulich charakterisierte. Heinz Rieder informierte über die Entstehungsgeschichte des „Alexander“, Dietmar Grieser überraschte mit der Feststellung, daß es das Hotel, in dem die Vorgänge von Csokors „3. November 1918“ spielen, in den Karawanken nicht gibt.

Gleichsam außer Programm steuerte der Schweizer Schriftsteller Robert Stauffer, der während seiner Wiener Jahre bei Cso kor als Untermieter gewohnt hatte, Erinnerungen bei, die dem Bild des Dichters die entsprechende menschliche Dimension gaben. Auch ich versuchte etwas beizutragen: mit einem Referat über „Die mythische Komponente“, die nicht nur Csokors Dramatik, sondern auch seine Gedichte und Erzählungen entscheidend bestimmt.

Nach einer Pause, die auch Gelegenheit bot, eine Schau von Büchern und Dokumenten von und über Csokor zu betrachten, wurde das Symposion mit dem „Zeugnis der Freunde“ fortgesetzt. Unter der Leitung von Herbert Zeman sprachen unter anderen Milan Dubrovic, Michael Guttenbrun-ner, Rudolf Henz, Hans Heinz Hahnl, Wolfgang Kraus, Theodor Kanitzer, Kurt Skalnik und Piero Rismondo, der zum engsten Freundeskreis Csokors im Exil auf der Insel Kordula gehört hatte. Mit Recht betonte Rismondo, daß Csokor ein Genie der Freundschaft war, zu dessen Werk auch das „für die anderen da sein“ gehörte. Zum Abschluß las Elisabeth Orth aus dem Werk des Dichters.

Der Beifall war ehrlich, herzlich und erschüttert. Das Bild des Menschen Csokor steht nun deutlicher vor uns.

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