Darum will er Mörder sein

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Daniel Glattauer hat einen Krimi geschrieben, der vielleicht gar keiner ist.

Nichts ist so absurd, dass es nicht doch real sein könnte. Diese Erkenntnis sollten sich Verlagslektoren hinter die Ohren schreiben, wenn es nach Daniel Glattauers Romanhelden geht, der sogar kriminelle Energien entwickelt, um von der Welt gehört zu werden.

Ein richtig netter Mörder

Und er muss dabei feststellen: es ist manchmal leichter, einen Mord zu begehen, als ihn zu gestehen. Nicht aus Angst vor den Konsequenzen, im Gegenteil, er sehnt die Sühne sogar herbei. Sein Pech ist nur: Er ist zwar ein Mörder, aber eben auch ein richtig netter Mensch. Darum glaubt ihm keiner. Für die Polizei ist er denkbar unverdächtig, sie will ihn partout nicht in Gewahrsam nehmen. Und als es schließlich doch geschieht, sucht die Untersuchungsrichterin Entlastungsmaterial, die Geschworenen haben Mitleid mit dem Angeklagten und alle warten nur darauf, dass endlich seine Unschuld erwiesen wird.

Daniel Glattauer hat mit "Darum" einen Kriminalroman geschrieben, bei dem man gar nicht so sicher sein kann, ob es überhaupt einer ist. Es beginnt zwar alles ganz klassisch mit einem Toten. Ein fröhliches Mörder-Raten erübrigt sich allerdings, wir kennen den Täter von Anfang an, sind eingeweiht in seine Vorbereitungen, werden Zeugen der Tat. Kein Wunder, der Täter ist immerhin der Ich-Erzähler.

Was er allerdings bis zum Ende verschweigt, ist sein Motiv. Warum soll ein erfolgreicher Journalist, beliebt bei allen Zeitgenossen, die ihn kennen, so eine richtig gute Haut - warum soll so jemand einen Menschen ermorden? Noch dazu einen, den er - wie er behauptet - noch nie zuvor gesehen hat? Vollzugsbeamte wie Freunde wie Presse stehen vor einem Rätsel. Und ist der Täter auch in allen Details geständig, auf die Frage nach dem "Warum" will er keine Antwort geben. Noch nicht. Erst in zwanzig Jahren soll die ganze Wahrheit ans Licht kommen. Dann, wenn er seine gerechte Strafe verbüßt hat. Und er wünscht sich nichts mehr als das. Er will nicht besser behandelt werden als ein gemeiner Verbrecher, denn schließlich ist er genau das: ein Mörder.

Damit gibt sich aber das Gericht nicht zufrieden. Wen will er decken? Welche Gründe haben ihn zu der Tat getrieben, war er vielleicht vorübergehend unzurechnungsfähig? Die Anwälte reißen sich um seinen Fall, er will keinen anderen als den etwas behäbigen Pflichtverteidiger. Der gibt sein Bestes, aber was tut ein Verteidiger mit einem Angeklagten, der unbedingt ins Gefängnis will?

Versteckspiel

Daniel Glattauer versteht es auf intelligente Weise zu unterhalten. Das beweist er auch mit seinen Glossen im Standard. Im Roman zeigt er sich nun als Meister des Versteckspiels, der Spannung bis zuletzt. Auch wenn der Leser sich aus diversen Andeutungen vielleicht schon (s)einen Reim gemacht hat.

Welt des Romans

Die Verknüpfung von Literatur und Wirklichkeit, die Glattauer nicht zuletzt dadurch betreibt, dass er dem Ich-Erzähler so manche äußere Züge von sich selbst verleiht - sie sind gleich alt, beide Journalisten, schreiben u.a. Gerichtsreportagen etc. - findet ihre logische Fortsetzung in der Welt des Romans. Der verkrachte Schriftsteller, dessen Romanmanuskript von allen Verlagen abgewiesen wurde (davor brauchte sein realer Schöpfer wohl keine Angst zu haben), dessen Ex ihn für einen abenteuerlustigeren Kerl verlassen hat, will es der Welt nun zeigen - mit einem Romanprojekt der besonderen Art: Es ist eben nichts so absurd, dass es nicht doch real sein könnte.

DARUM

Roman von Daniel Glattauer.

Deuticke Verlag, Wien 2003.

301 Seiten, geb., e 19,90

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