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Der Hang zum Abgründigen
Gelächter im Dunkel” heißt die Kammeroper des Dänen Tage Nielsen (Jahrgang 1929) nach dem Roman von „Lolita”-Autor Vladimir Nabokov, die kürzlich im Tiroler Landestheater ihre österreichische Erstaufführung erlebte: als Co-produktion mit der Berliner Kammeroper und Den Anden Opera, Kopenhagen. Das Dreiländerprojekt wird durch das überregionale Kulturprogramm „Kaleidoskop” der Europäischen Kommission gefördert. Da diese auf hohen Qualitätskriterien besteht, durfte man optimistisch sein.
Aber weder das Libretto noch die Musik haben dem Musiktheater ein neues Meisterwerk beschert. Die Story ist ein Hintertreppenroman aus dem Berlin um 1930: Wohlhabender Familienvater gerät ins Fangnetz sexueller Hörigkeit und wird von der kalt-berechnenden Verführerin mit deren diabolischem Liebhaber betrogen und getötet. Ein Expressionismusdrama, das Assoziationen an Lulu und Strawinskys Rake erweckt, das aber ständig Gefahr läuft, von intendierter Ironie zur Parodie umzukippen, zumal Regisseur Kay Kuntze schrilles Illustriertenniveau vorgibt und dem Publikum keine Peinlichkeit erspart.
Tage Nielsens zitatenreiche, handwerklich gewiß gutgemachte Musik für fünf Sänger, sechs Bläser, Schlagwerk, Klavier und Streichquintett gibt sich abwechselnd romantisch und dissonant, makaber und jazzig, mit einem Wort eklektisch. Das 1986 bis 1991 komponierte Stück kommt um gut 60 Jahre zu spät. Dirigent Brynmor Llewelyn Jones macht mit 13 tüchtigen Innsbrucker Instrumen-talisten das Beste daraus, ebensoSän-ger Tilman Birschel als betrogener Betrüger Albinus, Monika Degenhardt als brave Gattin, Bruno Fath als
Schwager Paul, Evelin Garbecht als Botlichtdame Margot und Andreas Jören in der satanischen Maske des Herrn Rex.
„Bartsch, Kindermörder” folgte Sonntag als Premiere einer Selbstdarstellung, die Oliver Reese nach Brieftexten Bartschs dramatisiert hat. Durch die in jüngster Zeit bekanntgewordenen entsetzlichen Verbrechen an Kindern hat dieser Monolog brisante Aktualität.
In einem erschütternden Solo umreißt der wandlungsfähige Thomas Hostettler die von Gewalt dominierte Kindheit des im Grunde sensiblen, nach Liebe hungernden Einzelgängers, den ein verhängnisvoller Trieb viermal zum Mörder kleiner Buben werden ließ.
Sein Verzweiflungsschrei „Hilfe, ich bin krank!” verhallte ungehört. Starker Beifall für Regisseurin Ulrike Kirsten Hanne und den Schauspieler Thomas Hostettler.
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