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Dramatischer.Seitensprung

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Ein dramatischer Seitensprung des Bestsellerautors Graham Greene im Kleinen Theater im Konzerthaus: „Living Room“ oder „Verschlossene Räume“ — wie immer das Stück auch heißen mag, es ist egal, es könnte auch „Das kleine Glück und das Gift“ oder „Im dritten Stock“ oder „Rauschende Wasser“ oder „Der Priester im Roll-•tuhl“ heißen. Und das ist symptomatisch für das Stück, auch das Ende ändert daran nichts, es gab unzählige Möglichkeiten, eine so gut oder weniger gut wie die andere. Graham Greene wählte eine davon, die genau so dem Papier verhaftet blieb, wie es die anderen gewesen wären.

Ein junges Mädchen aus streng-katholischem Hause liebt ihren fünfundvierzigjährigen Vormund, evangelisch, verheiratet und, damit man ein bißchen über Freud reden kann, von Beruf Psychologe. Seine Gattin ist (damit man noch ein bißchen über Freud reden kann und der Originalität halber) schwer hysterisch, und die Tanten des Mädchens sind es auch. Die Haupttante huldigt übrigens einer krankhaft unduldsamen Prüderie und fürchtet sich krankhaft vor dem Tode; der einzig Vernünftige ist der kranke Onkel, ein an den Rollstuhl gefesselter Priester. Das Stück ist nicht nur schlecht, es geht auch schlecht aus, schuld daran ist ein starkes Schlafmittel, das das Mädchen, als sich der letzte Akt dem letzten Vorhang nähert, laut Rollenbuch auf dem Boden zu finden hat. Daher vergiftet sich das Mädchen und daher stirbt es. Vorher war es noch ein bißchen auf Gott böse, weil er ihr ihr kleines Glück und ihre große Leidenschaft nicht „gegönnt“ hat, und auf die Haupttante natürlich, die es unter Berufung auf ihn hintertrieben hatte. Und im Hintergrund gloste ein papierener, doppelseitig beschriebener Konflikt zwischen der Prüderie und dem Gegenteil davon und zwischen duldsamem (Onkel) und unduldsamem (Tante) Glaubenseifer. Zuletzt wird noch rasch die Frage aufgeworfen, wer an dem tragischen Tod des jungen Geschöpfes schuld ist. Die Antwort liegt auf der Hand: Graham Greene und sonst niemand. Er hätte dem unglücklich liebenden zwanzigjährigen Mädchen mehr Zeit lassen sollen. Es hätte sich getröstet und irgendwann einmal einen sympathischen Altersgenossen gefunden.

Die Regie Heinz Schneiderbauers hätte es leichter gehabt, dem von Elisabeth Reichmann mit Ansätzen zu gutem Spiel verkörperten Mädchen hätten wir es vergönnt, und der Psychologe war von Norbert Kammil ohnehin weder gut noch sympathisch dargestellt. Sehr gut dagegen spielten Toni B u k o-v i c s und Auguste R i p p e r als Tanten, in einigem Abstand Erna Köthel als routinierte Leidende und Hans Kammauf auf seinem Rollstuhl. Das Bühnenbild Robert Hofer-Achs und die Kostüme Inge Brauners waren dem Milieu angepaßt.

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