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Einfach weggehen!

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Der alte Chorherr - ich weiß, er ist jünger als ich, aber seit es einen jungen Chorherr gibt, muß er es sich gefallen lassen, daß man ihn als den alten bezeichnet -schreibt in einem seiner brillanten Artikel in der „Presse” von Viktor Frankl und der Unanständigkeit. Ich stimme jedem Wort zu; nur, daß einer, auch wenn er kein Dichter ist wie Thomas Bernhard, unser Land unausrottbar haßt (Chorherr meint einen österreichischen Journalisten im Gespräch mit Frankl) - also, das mag ich so nicht stehen lassen. Das klingt so absurd wie das kuriose Gerede vom jüdischen Selbsthaß. Ich kann verstehen, daß einer die Leute hier nicht mag - aber das Land? Dieses kleine, große Land, dem die Welt mehr Gutes als Schlimmes verdankt? Niemals!

Ich kann verstehen, daß man sich aufregt, wenn einer den weisen, gütigen Professor Frankl mißbraucht, sich seiner Freundschaft rühmt dort, wo sie nie war. Aber das ist halt so. Ich kenne Fälle, da haben alte Lausbuben behauptet, sie hätten ein vorzügliches Verhältnis zu Kanzler Kreisky gehabt. Ich weiß so gut wie seine in alles eingeweihte Margit Schmid, daß das nicht stimmt. Er hat die Schwätzer nie oder nur widerwillig empfangen, weil er sie nicht schmecken konnte. Er hat sie, weil er dann nicht mehr weggehen konnte, einfach vor der Tür stehen lassen.

Chorherr kann weggehen und wegsehen. Er soll es. Soll diesen Kerlen nicht die Ehre seiner Anwesenheit, seiner Aufmerksamkeit schenken. Sie verdienen es nicht - diese miesen Leichenfledderer. Ich kann's auch. Ja - ich beherrsche die Kunst des Weggehens. Ich habe das im Fall des Krawallmachers in der Burgtheaterdirektion bewiesen und auch sonst schon einige Male. Das letzte Mal beim Fußballspiel Österreich-Schweden. Als einer unserer Spieler ausgeschlossen wurde, habe ich - ein bekannter Fußballknofel - den Fernseher abgestellt. Immer, wenn ich zuschau', klappt's bei den Polsterern nicht. Also, Druck aufs Knopferl -weggehen. Es hat geklappt. Andi Herzog schoß das 1:0. (Ich ernenne ihn deswegen zum Erz-Herzog.) Mir gratuliere ich. Ich konnte weggehen.

Joseph Roth in Berlin

Eine reizvolle Ergänzung der bereits vorhandenen Biographien Josef Roths,-die auch manches Neue bietet, ein literarischer Spezialreiseführer zu den letzten Überbleibseln der glanzvollen literarischen Vergangenheit Berlins, und nicht zuletzt ein reizvoller Beitrag zur Geschichte der Stadt in den zwanziger Jahren - dies alles ist das KiWi-Taschenbuch „Joseph Roth in Berlin”, für das Herausgeber Michael Bienert eine bunte Mischung verstreuter Texte Joseph Roths aus allen möglichen Quellen zusammentrug: Aus dem Berliner Börsen-Courier, der Neuen Berliner Zeitung, deren 12-Uhr-Blatt, der Frankfurter Zeitung und so weiter. Der Journalist und Feuilletonist Roth wird da lebendig -und mit ihm das Berlin der zwanziger Jahre. Viel vergessenes Berliner Mill-jöh, viel vernichtetes jüdisches Milieu, viel sprachliches Gold, das seinen Glanz nie verlieren wird.

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