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Zauberei

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Seit zwei Jahrzehnten verwehrt es ein stillschweigendes Gentlemen-Agreement zwischen der Kritik, dem Publikum und dem Autor Curt Goetz des Bühnenstückes „H okuspoku s“, die Schlußpointe publik zu machen. Diesem verständlichen Pakt sei auch angesichts der neuen deutschen Filmfassung entsprochen; wer es aus den dreißiger Jahren nicht mehr in Erinnerung hat, möge also von neuem bis zum wahrhaft erleuchtenden Happy-End raten, ob der Titelheld „Hokuspokus“ ein Mitternachstgespenst oder ein Erpresser, ein Attentäter, Gattenmörder, selbstloser Anwalt, oder etwa — nein, mit den fünf Sinnen des Menschen ist es doch nicht zu erraten. „Hokuspokus“ ist mit einem sechsten Sinn geschrieben. Es ist im Grunde kein Bühnenstück und kein Film, es ist eine Zauberei, ein Hokuspokus, ein Purzelbaum über alle Gesetze der Dramaturgie und damit auch alle etwaigen logischen und ethischen Einwände. Eine Komödie voll sprühenden Unsinns und Tiefsinnes, scheinbar improvisiert, in Wirklichkeit aber raffiniert berechnet und ungeheuer gekonnt, gespickt mit einem Dutzend funkelnder Goetz-Zitate, die Regisseur Kurt Hoffmann in ein Vorspiel von dämonischer Ironie und einen filmisch breit strömenden Ausklang einpackt. Gespielt wird hinreißend; vom Goetz selber in souveräner Eulenspiegelmanier, von Valerie Martens mit einem unnachahmlichen Augenzwinkern hinter dem komisch-makabren Witwenschleier, von Nielsen, Waldow, Teege und der Flickenschiidt, vor allem aber von dem großartigen Erich Ponto. In einem Meisterstück scharmantester Causerie grüßte Curt Goetz bei der Premiere vor dem Vorhange die Wiener und im besonderen die Kritiker: „Ich habe über das Stück die gleiche Meinung wie Sie, aber sagen Sie sie, bitte, nicht weiter!“ Schade, es wäre so hübsch gewesen, den „Furche“-Lesern zu sagen: „Seit zwei Jahrzehnten verwehrt es ...“ (Fortsetzung siehe oben), aber wir unterlassen es...

Ueber eine gröbere deutsche Posse („D e r keusche Josef“), einen routinierter! amerikanischen Reißer Fritz Längs, „Im Geheim-d i e n s t“, und zwei unterdurchschnittEche Aben-teuereien, „Der Rächer von Caisamare“ und „Der rote Reite r“, dachen sich in dieser Woche zwei französische Filme von charakteristischer Handschrift. „Das Leben iS:t stär-k e r“ legt vom Titel weg den Schwerpunkt auf Gehalt und menschliche Wärme. Bernhard Blier in der Rolle eines gutmütigen Taxichyuffeurs wird zum Retter eines Landmädchens, das sich in der Großstadt zu verlieren droht; er gibt souverän den Ton in diesem erfreulich sauberen und schlichten Film an. „Geständnis einer Nach t“ ist von Jean Gabin und Michele Morgan brillant gespielt, bekennt sich aber, weniger in dem heiklen, aber ordentlich gelösten Grundkon-

flikt. als vielmehr in sehr freien Details zu jenem „Pariser Stil“, der in der „Liebestollen Stadt“ seine unrühmlichste Ausprägung gefunden hat.

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Film schau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. 37/111 vom

1. Oktober 1953: I (Zu empfehlen für alle): „Peppina und Violetta“ — III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Hokuspokus“ — IV (Für Erwachsene): „Das war unser Rommel“, „Der rote Reiter“ — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Geständnis einer Nacht“ — V (Abzuraten): „Der keusche Josef.

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