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Claudel und Milhaud entdecken Amerika

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In dem mehr als 400 Nummern umfassenden Werkverzeiöhnis Darius Milhauds (eine kleine Broschüre!) gibt es auch zahlreiche Bühnenwerke, darunter die „Südamerikanische Trilogie“, bestehend aus „Christophe Colomb“, „Juarez et Maximilien“ und „Bolivar“. Aber Milhaud hatte keineswegs einen solchen Zyklus geplant. Er ergab sich, wie vieles Große und Bedeutenide, sozusagen zufällig durch seine Beziehungen zu den betreffenden Textautoren: Paul Claudel, Franz Wertfei und Jules Supervielle.

Am längsten und engsten war die Beziehung Milhauds zu Paul Claudel: des aus der Provence stammenden gläubigen Juden zu dem großen katholischen Dichter. Bereits 1912 hatte Milhaud Prosafragmente von Claudel vertont, im Jahr darauf schrieb er eine Bühnemusik zu „Agamemnon“ nach Äschylos, und als Claudel zum Botschafter Frankreichs in Brasilien ernannt wird, bestellt er Milhaud zu seinem „Privat-sekretär“. In jenen Jahren, vor allem 1917 bis 1918, arbeitet Milhaud an der Oper ,,Les Eumenides“, vertont den von Claudel übersetzten 136. Psalm und beginnt die BallettmusSk zu „L'Homme et son Desir“. Erst knapp zehn Jahre später kommen sie zur Zusammenarbeit an einem Columbus-Drama. Max Reinhardt hatte nämlich Claudel aufgefordert, ein großangelegtes Bühnenwerk, speziell für amerikanische Verhältnisse, zu schreiben, und innerhalb von zwei Wochen lieferte ihm Claudel ein Szenario. Reinhardt tritt mit mehreren Komponisten in Verbindung, u. a. auch mit Rachard Strauss, Aber für Claudel kommt nur Milhaud als sein Mitarbeiter in Betracht. Aus dem Sprechstück mit Bühnenmusik ist eine große Oper geworden, die am 5. Mai 1930 in Berlin uraufgeführt wurde.

Es geht bei diesem Werk weniger um die Tragödie historischer Gestallten vor pittoreskem Hintergrund, wie etwa noch in Mussorgskys „Boris Godunow“. Claudel hat seinem Columbus-Drama eine Bemerkung vorangestellt, die diesen neuen Typus umreißt: „Das Drama ist nach seiner Grundidee wie ein Buch, das man öffnet und dessen Inhalt man dem Publikum mitteilt. Dieses befragt duroh die Stimme des Chors den Vorleser und die Darsteller des Geschehens selbst. Es verlangt von ihnen Aufklärung. Es schließt sich ihren Gefühlen an. Es stützt sie mit seinen Ratschlägen und Zurufen. Das Ganze ist wie eine Messe, bei welcher die Menge ständig mitwirkt. — Sie hat das Bedürfnis, auch jene geheimnisvollen Botschaften zu erkennen, die sie vom Schicksal und von der Vorsehung empfängt. Diesem Zweck dient die Projektionsffläche. Eine Seelenlandschaft tritt hier an die Stelle der alten, der materiellen Landschaft. Auf einer Leinwand erscheinen in den verschiedenen Graden der Deutlichkeit alle Arten von klaren oder verworrenen Bildern, die so das größere oder geringere, Maß von Realität in Vergangenheit und Gegenwart, im Möglichen oder im Traum darstellen. Auf solche Art entwickelt sich das Drama zwischen den Zuschauern und einer von den Schauspielern verkörperten, gewissermaßen sichtbaren Idee“.

Und was bedeutet der Held, die historische Persönlichkeit, in diesem Konzept? Sein Name hat eine doppelte Bedeutung. Geistlich verstanden ist Christoph der Träger des Christus in eine neue Welt. Die Taube (Colom.be) symbolisiert den göttlichen Geist. Das also war sein Auftrag.

Beim Mai-tFestival in Bordeaux wurde 1953 eine Neufassung des Christophe Colomb unter der Spielleitung von Jean Louis Barraulit uraufgeführt. In dieser Fassung werden wir das Stück mit Laurent Terzieff, Jean Louis Barrault und Helene Daste im Theater an der Wien sehen.

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