6746393-1967_10_09.jpg
Digital In Arbeit

PAUL CLAUDEL IM JAHR 196

Werbung
Werbung
Werbung

Wie alljährlich hielt die Societe Claudel ihre Generalversammlung in Paris ab, die ein eindringliches Bild von der ständig zunehmenden Aktivität dieser Vereinigung gab, die nunmehr auf ein zehnjähriges Bestehen zurückblicken kann. Mit mehr als einem halben Tausend Mitgliedern ist sie in der Lage, vierteljährlich ein Bulletin von jeweils 32 Seiten in 1200 Auflage herauszubringen, auf das an die 50 Bibliotheken in aller Welt abonniert sind. Es bringt Einzelsitudien, Buchbesprechungen über ClaudeJ-Literatuir aus aller Welt und über die kaum mehr zählbaren Doktorthesen über Claudel aus Frankreich, England, Kanada, Japan, Deutschland, Österreich, Schweiz, USA, sogar eine Vietnamesin bereitet eine vor. Eingeleitet wurde die Veranstaltung durch einen Vortrag von Prof. Pierre Moreau, Emeritus der Sorbonne zum Thema: „Des parfums, des couleurs et des sons chez Claudel“, eine Studie über die Vorstellung des Dichters, daß der Mensch über die Sinne mit dem Unsichtbaren in Verbindung tritt.

Erstmals sind 1966 zwei Werke aus dem Nachlaß herausgebracht worden. Bei Desclee de Brouwer „Les Psaumes“ und bei Gallimard „Au milieu des vitraux de l'Apocalypse“, beide vom Sohn Pierre Claudel herausgegeben, der ganz der Betreuung des geistigen Nachlasses seines Vaters lebt, assistiert von seiner Schwester Mme. Renee Nantet, die mit bemerkenswertem Elan die Geschicke der Gesellschaft lenkt, und wissenschaftlich beraten von Prof. Jacques Petit (Besancon), der soeben für seine vielfältige Herausgeber-arbeit den Prix de la Criitique erhielt. Er zeichnet auch verantwortlich für eine kritische Ausgabe des zweiten der Dramen „La Ville“, die beim Mercure de France erscheint. Gallimard hat soeben einen aufschlußreichen Band, „Paul Claudel, Mes idees sur le theätre“, publiziert und eine illustrierte Geschenkausgabe einiger Dramen; der Band vereinigt „Tete d'Or“, „Partage de Midi'% „L'Annonce faite ä Marie“, „L'Otage“ und „Le Soulier de Satin“. Für das kommende Jahr ist bereits Nr. VII der Cahiers Claudels angekündigt, „La figure d'Israel, Claudel et les Juifs“, dessen Redaktion in den Händen namhafter jüdischer Gelehrter liegt. In Israel ist ein „Cenltre d'etudes consacre ä la Bible dans l'Oeuvre de Claudel“ unter der Leitung von Claude Vigee und dem Dominiikanerpater Dubais in Aussicht genommen.

Bereits jetzt kann man sagen, daß die Feier zur hundertsten Wiederkehr des Geburtstages von Paul Claudel am 6. August 1868 ein hochbedeutsames kulturelles Ereignis zu werden verspricht. Auf diesen Anlaß hin wurde eigens ein Comiite gegründet, dessen Patronat fünf Minister und der Kardinai-Erzbischof von Paris angehören sollen. Präsidiert wird es von Darius Milhaud, dem langjährigen Freund des Dichters, der eine Reihe seiner Werke vertonte. Die eigentliche Aniimatorin Ist aber Mme. Jacqueline Veinsteln. Das Geburtshaus in Vllleneuve-sur-Fere-en-Tardenois, einstiges Pfarrhaus, heute toi Besitz der Gemeinde, soll auf Staatskosten restauriert werden und im Erdgeschoß ein Claudel-Museum beherbergen. Die Post verspricht eine Sonderbriefmarke, deren Erstausgabe in Villeneuve erfolgen soll. Die Sorbonne, an der seit Jahren Vorlesungen über den Dichter von mehreren Gelehrten gehalten werden — zwei Claudel-Forscher sind nunmehr Rektoren der Universität von Amiens und Orleans—,wird eine Festakademie abhalten. Die Biblio-theque Nationale bereitet eine große Ausstellung von Leben und Werk vor, mit Manuskripten, Originaldokumenten, Bühnenentwürfen, Programmen, auch der Quad d'Orsay wurde gebeten seine Archive zu öffnen und über den großen Diplomaten Auskunft zu geben. Wanderausstellungen werden in die Departements geschickt.

Außergewöhnliches ist auch von den Bühnen geplant. Die Comedle Francaise wird an drei Abenden die Trilogie aufführen. Jean-Luls Barrault, der unermüdliche Freund des Dichters, wird im Theatre de France den vierten Tag des „Seidenen Schuh“, „Unter dem Wind der Baiearen“ ungekürzt spielen und bei freiem Eintritt eine Lesung „Connais-sance de Claudel“ abhalten, außerdem ein Sonderheft der Oahiers de la Compagnie Renaud^Barrault herausgeben. Mit der Oper laufen die Verhandlungen noch. Das Festival du Marals, ein Pariser Quartier, plant „La Ville“ (in der ersten Fassung) zu spielen. Das Festival de Fouviere wird im Römischen Theater oberhalb von Lyon den „Soulier de Satin“ und „Christophe Colornfo“ durch das Ensemble von Barrault aufführen lassen und „Jeanne dArc au bücher“ durch die eigene Oper. Straßburg verspracht die integrale Aufführung der „Orestie“ von Aischylos in der Übersetzung von Claudel mit der Musik von Darius Milhaud (Uraufführung an der Deutschen Oper Berlin, 1962). In Bukarest, wo vergangenen Winter „Der Bürge“ an drei Abenden vor jeweils 3000 Zuschauern auf Französisch gegeben wurde, soll die vollständige Trilogie auf Rumänisch gespielt werden. Warschau und Athen planen gleichfalls die Aufführung von Bühnenwerken des Dichtens in der Landessprache. Es ist anzunehmen, daß die deutschsprachigen Bühnen, an denen neun der Bühnenwerke von Claudel ihre Uraufführung, lange vor Paris, erlebten, nicht zurückstehen werden.

In Lyon und Nancy sind Kolloquien, teils mit internationaler Beteiligung, vorgesehen. Alain Cuny, dessen vielbewunderte vollständige Lesung von „Partage de Midi“ jetzt als Platte herauskommt, wird die laraggeplante Verfilmung der „Verkündigung Maria“ bis dahin verwirklicht haben. Die berühmten Radiointerviews von Jean Amrouche, bei denen der Dichter als Achtzigjähriger über sein Werk Auskunft gab, sollen auf zehn Schallplatten festgehalten werden. Ein Fernsehfilm wird den Dichter und sein Werk, vorgestellt durch den Sohn, zeigen. Die Krönung von allen wird aber die lang erwartete Veröffentlichung des „Journal“ sein, In der Sammlung Editlons de la Plejade. Den Text hat P. Varillon SJ. aus den zehn Cahiers zusammengestellt, den Anmerkungsteil mit mehreren tausend Erläuterungen besorgt Prof. Jacques Petit. Ein imponierendes Programm, das seine Ausstrahlung weit über die Grenzen Frankreichs haben wird und zum Ruhme des Dichters, zur Verbreitung der Kenntnis seines Werkes beizutragen wohl angetan ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung