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JAKOB HEGNER AUS WIEN

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Für die älteren unserer Leser Ist der Jakob-Hegner-Verlag und sein Schöpfer ein geprägter Begriff, nicht so für die neue Lesergeneration nach dem Kriege. Wer ist dieser Mann, von dem seine Freunde sagen, er habe dem Wort „katholisch" in der Literatur seinen ursprünglichen und uneinge- 1 schränkten Sinn wiedergegeben, den nämlich, alles zu umfassen, was „des Geistes ist und in der übernatürlichen Wahrheit mündet" (Titus Burckhardl); der konservative Revolutionär im Grunde, der aus innerer Berufung Grenzsituationen sucht, mit dem „Verlag an der Schwelle", wie Hans Urs von Balthasar einmal seinen Verlag nannte, dessen „Witterung für das Wertvolle' Sigismund von Radecki und dessen „bewundernswertes Gespür für das Echte' Josef Rast hervorheben, der endlich von sich selber sagte: „Ich will nicht Tendenz — aber ein Ziel im Unendlichen, im Religiösen, im Christlichen" und der als junger Mensch schon seinem Vater auf die Frage, was er werden wolle, antwortete: „Ein Mensch, sonst nichts!"

Am 25. Februar 1882 als das älteste von neun Kindern eines Wiener Fabrikanten geboren, besuchte Jakob Hegner — mit Stefan Zweig zusammen — in Wien das humanistische Wasa-Gymnasium und begann 1899 in Leipzig unter Wundt und Lamprecht tlas Hochschulstudium. Schon in den ersten Studentenjahren zeigten sich die späteren Neigungen: die Kollegien wurden nur lässig besucht, um so lebendiger nahm der junge Wiener die Anregungen der mächtigen Bücherstadt in sich auf. Der. Zwanzigjährigen berief der Verlag Hermann Seemann Nachf. schon in seine Buchabteilung. August Slrindberg, Walter Thiemann, Franz Kafka und Oskar Kokoschka, Max Klinger und Arthur Nikisch, der Gewandhausdirigenf, nahmen ihn in ihren Kreis auf. In Berlin gab er dann, zusammen mit seinem Freunde Renė Schickele, das „Magazin für Literatur" heraus, dessen Beiträge ungewöhnlich lebendig ausgewählt waren und unter denen sich auch die ersten eigenen uiįid nicht seifen eigenwilligen Novellen und Gedichte fanden. Seit 1912 finden wir Jakob Hegner in der kleinen Gartenstadt Hellerau bei Dresden, und zwar als Drucker und Verleger, neben dem Architekten Heinrich Tessenow, dem Schöpfer der rhythmischen Gymnastik Jacques Dalcroze, dem Musiker Ferruccio Busoni, dem Bildhauer Peterich, dem griechischen Buchbinder Pefer A. Demeter. Es war der Kreis der „Deutschen Werkstätten", und sie alle wollten — vom echten Material her denkend — Altbewährtes in einer der Zeit gemäfjen Form gestalten.

Im Schatten des von Wolf Dohrn begründeten und von Tessenow gebauten Festspielhauses walteten Handwerker, Dichter und Gelehrte, Theaterleute und Maler, Photographen und Sänger. Eine Aufführung im Festspielhaus wurde 1913 zum Ereignis: die Uraufführung der von Jakob Hegner selbst in die deutsche Sprache übertragenen „Verkündigung" von Paul Claudel, eingerichtet nach den Richtlinien des anwesenden Dichters. Im Claudel- Programm-Buch wurden auch Uebersetzungsproben aus den anderen Werken geboten, darunter wiederum Proben von Hegners großartiger Begabung. Hatte er doch inzwischen Francis Jammes und Paul Claudel für die deutsche Literatur entdeckt, und die glanzvollen Uebersetzungen Claudels und die feinen Dichtungen von Francis Jammes mit ihrer zerbrechlichen Zartheit waren in den von Paul Adler geleiteten „Neuen Blättern” zuerst erschienen. Hegner selbst hafte die Redaktion dieser Zeitschrift eine Zeitlang weitergeführf und so seine französischen Lieblingsdichfer bekannt gemacht. Als Georg Müller und die „Insel" die Verlagsübernahme dieser beiden Dichter ablehnfen, war es für Hegner wie ein innerer Befehl: aus der Druckwerkstatt wuchs mit dieser Aufgabe der Verlag.

Das Verhängnis des ersten Weltkrieges ließ die Arbeit stocken. Hegner saß mit Robert Musil, Franz Blei und Rainer Maria Rilke zusammen im K. u. K. Oesterreichischen Kriegs- Presse-Quarfier in Wien, fand aber daneben noch Zeit, eine Zeitschrift, „Summa", herauszugeben, in der sich bereits Beiträge vieler seiner späteren Autoren fanden.

Nach Hellerau zurückgekehrt, schloß er die Ehe mit Frau Lisa, der jungen und k'ugen Urenkelin Ludwig Richters. In diesen Jahren der ersten großen Reite entstand der eigentliche Buchstil des Verlages Jakob Hegner in Hellerau, der erneuernd auf das ganze deutsche Druckergewerbe wirkte. Gegen den seit vielen Jahrzehnten verdorbenen Zeitgeschmack ansetzend, gebrauchte Jakob Hegner die altbewährten Schriffschnitfe, deren schlichter Ausdruck durch sorgfältig ausgewogenes Format, sicher gestalteten Satzspiegel, edles Papier in eng berandetem Einband und in dem in ganz wenigen Graden gedruckten Umschlag überzeugen mußte.

Auf Hegners Anregung hin entstand in der Zusammenarbeit mit dem Messingschmied Georg Mendelssohn die von Paul Renner entworfene und nach ihm benannte Antiqua. 1930 gelang es Jakob Hegner, innerhalb der großen Druckerei Oscar Brandstetter seine Druckwerkstatt erneu) zu errichten und seinen Verlag in geistiger und literarischer Unabhängigkeit, aber in lebendiger Verbindung mit den Möglichkeiten modernster Drucktechnik weiferzuführen. Dann brach mit dem Jahre 1933 die Zeit des Ungeistes herein. 1936 mußte Hegner den Leipziger Verlag verlassen (der von seinem Schüler Heinrich Wild weitergeführt wurde) und ging nach Wien, wo er zunächst den Thomas-Verlag .Jakob Hegner gründete; als dann 1938 auch Oesterreich von den neuen Machthabern überrannt wurde, kam Jakob Hegner zunächst in Gefängnishaft. Mit knapper Not gelang es ihm, mit Frau und Kindern Wien zu verlassen, um den bitteren Weg in die Emigration, nach London, zu gehen.

Nach dem Zusammenbruch 1945 wurde der Verlag in der Schweiz wieder aufgebaut und hat heute seinen Sitz in Köln, Zu den wichtigsten Veröffentlichungen Jakob Hegners gehören Werke von Georg Bernanos, Paul Claudel, Francis Jammes, Bruce Marshall, Edzard Schaper, Friedrich Schnack, Sigismund von Radecki, Reinhold Schneider und Werke philosophisch-theologischen Inhalts von Hans Urs von Balthasar, Martin Buber, Christopher Dawson, Renė Guėnon, Ernst Hello, Soren Kierkegaard, C. S. Lewis und Johann Adam Möhler. Unter den bisherigen sechs Friedenspreisträgern des deutschen Buchhandels befinden sich allein zwei Autoren des Hegner-Verlages: Martin Buber und Reinhold Schneider. Zu den jüngst vorgesfellten Autoren gehören die beiden Belgier Luc der Eist und Stanislas d’Otremonf und der Franzose Jean Gabriės, dessen Jakob- Roman in Vorbereitung ist. Jakob Hegner lebt heute in Lugano in der Schweiz.

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