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Hohe Titel für „arrivierte“ Maler

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Heute ist er Träger des Kan-dinsky-Freises, führt den Titel Commandeur de l'Ordre des Arts et des Lettres, fährt einen Rolls-Royce, und seine abstrakten Kompositionen hängen in den Museen und Galerien von New York, Amsterdam, Brüssel, Bern, Buenos Aires, Berlin, München, Hamburg, Köln, Rio, Stockholm und in vielen anderen Städten der Welt.

Noch stärker als bei Poliakoff ist der wechselseitige französisch-russische Einfluß bei Constantin Tereschkowitsch spürbar, der 1902 ebenfalls in der Nähe von Moskau geboren wurde. Tereschkowitsch malt gegenständlich; seiine heiteren Bilder junger Menschen, sonnerfüllter Landschaften, zeitloser Gewänder und blumenbekränzter Hüte haben ihm in Künstlerkreisen den Beinamen „Maler des Lächelns“ eingetragen.

Und doch ist seine ätherische Heiterkeit, die an die graziöse Welt Marcel Prousts und Alain Fourniers erinnert, nicht frei von Melancholie. „Meine Inspirationen liegen weit zurück“, erzählte der Künstler, „ihre Quelle liegt in der Periode der Kindheit und in den Jünglingsjahren. Bereits in Rußland entdeckte ich Matisse, Renoir.

Nach Prankreich kamen dann die anderen Impressionisten, die ,Fau-ves', die Kubisten, die Naiven hinzu. Als ich nach Paris kam, ging ich unzählige Male in den Louvre, wo mich bestimmte Landschaften van Goghs aus der Zeit von Arles und vor allem die Bilder, die Cezanne von seiner Frau gemalt hatte, anzogen.“

Wie Poliakoff gehört Tereschkowitsch zu den „arrivierten“ Malern. Er verfügt über ein ansehnliches Vermögen und kann sich sogar einen Rennstall leisten. Trotzdem sind seine wesentlichsten Züge Güte, Zurückhaltung und Bescheidenheit. Die französische Kunstkritik erklärt seine internationale Anerkennung damit, daß er es zugleich verstanden habe, die französische Disziplin der Freimütigkeit im Raffinement zu übernehmen und aus seiner russischen Herkunft den Sinn für den Traum und die Farben zu behalten.

„Er ist ein slawischer Erzähler, der sich in der französischen Sprache ausdrückt“, schrieb J. P. Crespelle über Tereschkowitsch.

Der Fall Lif ar

Wir könnten die Reihe der Beispiele für das Fortleben der russischen Emigration in Paris noch lange fortsetzen. Auf jeden Fall kann sie aber nicht abgeschlossen werden, ohne das Ballett zu erwähnen, das neben Literatur, Schauspiel und bildender Kunst eine Sonderstellung einnimmt.

Diese Kunistform fand über dreißig Jahre ihre unbestrittene Inkarnation in der Persönlichkeit Serge Lifars, des großen Ballettmeisters der Oper, des Schülers und geistigen Erben Djaghilevs und langjährigen Direktors des choreographischen Instituts.

Gewiß, Lifar war nicht der einzige unter den Großen, die nach dem Untergang des Zarenreichs für die Kontinuität des russischen Ballettprestiges an der Pariser Oper Sorge trugen (unter manchen anderen wird auch der Name Belanchires unvergessen bleiben), aber seine Universalleistung als Tänzer, Schöpfer von 200 Balletts, Theoretiker, Lehrer und Reformator Wird ihm in der Welt des Tanzes eine historische Rolle sichern.

Auch für die befruchtende wechselseitige französisch-russische Einflußnahme wird sein Name stets symbolhaft sein: Während ein Vestris-Schüler, der Franzose Marius Petipa, am Endes des 19. Jahrhunderts einen wesentlichen Beitrag zur Reform des russischen Balletts beigetragen hatte, erneuerte der Schüler der Nijinsky, Legats und Cechet-tis, Serge Lifar, das französische Ballett des 20. Jahrhunderts.

Im Gegensatz zu den meisten seiner berühmten Landsleute in der Emigration hat sich Lifar nie um die französische Staatsangehörigkeit bemüht. Er wollte auch äußerlich seine russische Nationalität betonen. Dies wurde ihm im bürokratischen Bereich in dem Augenblick zum Verhängnis, als man einen Grund brauchte, um ihn von der Oper zu entfernen.

Man kündigte ihm mit der lapidaren Begründung, daß er Ausländer sei. Und bis heute streitet man in Künstlerkreisen, ob der wahre Grund für die Entfernung Lifars im Durchbruch neuer choreographischer Orientierungen zu suchen sei oder ob politische Beweggründe — manche glauben, dem Tänzer eine zu enge Zusammenarbeit mit den Deutschen während der Besatzungszeit vorwerfen zu können — eine Rolle gespielt hätten.

Lifar ist im vergangenen Jahr 60 Jahre alt geworden. Doch niemand sieht ihm dies Alter an. Er wirkt weiterhin jugendlich und ist sprühend von Aktivität. Wenn man das Gespräch auf die Gerüchte lenkt, die im Zusammenhang mit seiner Verabschiedung von der Oper umgehen, zieht er wortlos einen abgegriffenen Brief des Generals de Gaulle hervor, den er wie einen Notizzettel oder eine Quittung lose in seiner Jackettasöhe aufzubewahren pflegt.

In diesem Schreiben dankt ihm der Staatschef mit betonter Herzlichkeit im Namen Frankreichs für sein jahrzehntelanges Wirken am Pariser Opernballett.

Soeben hat Serge Lifar eine dreibändige Autobiographie seinem umfangreichen literarischen Werk hinzugefügt. Im Juni hat er in Toulouse einer Manifestation „Picasso und das Theater“ vorgestanden und im August ein Ballett in Brasilien anläßlich des 400. Jahrestags von Rio inszeniert.

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