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Symbol und Mythos in der Kunst

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Seit vielen Jahren werden, jeweils im Herbst, die Berliner Festwochen veranstaltet: eine große internationale Schau über die neueste Produktion auf dem Gebiet des Theaters, der Oper, des Balletts, der Musik und der Bildenden Kunst. Sie hatten bisher, charakteristischerweise, kein Generalthema, sondern es

zeigten hier Ensembles aus vielen Ländern, vor allem natürlich aus Westdeutschland und Berlin, ihr Bestes und Interessantestes. Die in diesem Jahr zum erstenmal veranstalteten „Berliner Begegnungen“ haben einen anderen Sinn. Sie gehen, wie es ihr Initiator Nicolas N a b o k o v formulierte, von der Notwendigkeit konzentrierter Behandlung von Themen und Problemen zeitgenössischer Kunst aus. Die in ihrem Rahmen veranstalteten Vorträge und Diskussionen waren um eine Gruppe zeitgenössischer Opernwerke zentriert: „Die Orestie des Aischylos“ von Claudel und Milhaud, „ Atlantida das nachgelassene Werk Manuel de Fallas, das von Emesto Halffter ausgeführt und v 1-tndet worden ist, Gottfried von Einem Oper „Dantons Tod“ nach Büchner, Hans Werner Henzes „Elegie für junge Liebende“, „Rosamunde F 1 o r i s “ von Boris Blacher auf einen Text von Georg Kaiser und Arnold Schönbergs „Moses und Aaron“ (letztere beiden Werke als Reprisen der D e u t-ichen Oper, Berlin). So ergab sich als Generalthema „Symbol und Mythos in der zeitgenössischen Kunst“, das durch eine Ausstellung unter dem gleichen Titel in der Akademie der Künste ergänzt wurde.

Man hat dieses sehr umfassende und, zugegeben, vieldeutige Thema kritisiert. AJieJ':di*ese . Kritik konnte sich eigentlich nur auf die Diskussionen beziehen, beT denen es, trotz der fachlichen Kompetenz und der Virtuosität der jeweiligen Leiter, nicht immer einfach war, die Referate mit ihren vielen verschiedenartigen Themen, Thesen und Meinungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Aber von solchen Gesprächen darf man sich von vornherein kein „Seminar“ erwarten, in dem bestimmte Erkenntnisse erarbeitet werden. Und die Feststellung eines angesehene Berliner Musikreferenten, daß es sich bei einem Forum von Kritikern nicht anders verhalte wie mit Sängern und Schauspielern, wo eine Versammlung von Stars noch kein Ensemble bildet, besteht gewiß zu Recht, aber gerade diese Vielfalt und Buntheit bot^n dem in der „Akademie der Künste“ ver-

sammelte Publikum sicher auch viel Anregendes. Die Diskussionen, die von Nicolas N o b o k o v, Don Salvador de Madariaga und Professor H. H. Stuckensch midt geleitet wurden und an denen sich etwa ein Dutzend international bekannter Kritiker beteiligten, hatten die obgenannten Opernwerke zum Gegenstand.

Als Vortragende waren folgende namhafte Schriftsteller und Wissenschaftier gewonnen worden: Theodor W. Adorno (Moses und Aaron), Pierre Emmanuel (Claudel et le Mythe), Don Salvador de Madariaga (Der Mythos der Atlantis im iberischen Ethos), W. H. A u d e n (Die Moral und Ethik der Oper, zugleich ein Arbeitsbericht über seine Kollaboration mit Strawinsky bei dessen Oper „The Rakes' Progress“), Pierre Claudel, der Sohn des Dichters (Paul Claudel: Dichter des Weltadvents) und Edwin Maria Landau (Das Faustische in der Dramenwelt von Paul Claudel). In einigen dieser Vorträge wurde auch ein drittes, im Titel der Berliner Begegnungen nicht genanntes Thema angeschlagen, nämlich das Ethos in den zeitgenössischen Opernwerken — ein von den repräsentativen Opern des 19. Jahrhunderts sehr wesentlich verschiedenes Ethos, das nicht an das Mitgefühl für das Einzelschicksal des Menschen appelliert, sondern sich in einer gewissermaßen objektiven und synkretischen Darstellung zeitloser Mythen mit den Mitteln der Poesi*. der Musik und des Bühnenbildes bekundet.

So erwiesen sich im ganzen die „Berliner Begegnungen“, nicht zuletzt gerade durch die Weite der Themenstellung und das undoktrinäre, nach keinem bestimmten

Fahrplan und Bndziel verlaufende Gespräch, als sehr anregend — zum Weiterdenken — und normativ, vor allem im Hinblick auf die gut gewählten ExempeL Über die bedeutendsten berichten wir ausführlich auf unseren Kunstsonderseiten.

Erwähnen wir zum Schluß noch die hochinteressante und große Claudel-Ausstellung, die von Edwin Maria Landau und dem Sohn de Dichters eröffnet wurde.

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