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Das blieb von Dürer

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Einen Tag nach dem 500. Geburtstag Albrecht Dürers öffnete das oberösterreichische Benediktinerstift Lambach erstmals einen Blick in seine graphischen Sammlungen, die nach der Wiener Albertina und Gött- weig den dritten Rang in Österreich einnehmen können, aber leider wenig populär sind. Die Lambacher Sammlung wurde vor einem Jahrhundert von Koloman Fellner angelegt und wuchs auf 160 Klebebände an. Je ein Band mit Blättern Dürers und Rembrandts bilden heute den größten Schatz.

Ein von dem Welser Rechtsanwalt und Kunstfreund Dr. Aubert Salzmann gegründeter und präsidierter Verein zur Rettung und Erhaltung der Kunstwerke des Stiftes Lambach — gegenwärtiger Mitgliederstand 706 — versammelte sich zur Eröffnung der Exposition. Unüberhörbar die Klage über Lambacher Verluste. Verkäufe, Tauschgeschäfte und Diebstähle haben die graphischen Bestände auf derzeit 99 Klebebände gelichtet. Im Jahre 1943 verschwanden Dürers gesamte „Apo- calypsis cum figuris“, drei Blätter der großen Passion und zehn Blätter des Marienlebens.

Berechtigt freilich auch die Freude über Verbliebenes, nunmehr Gesichertes. Die 37 Blatt» der kleinen Holzschnitt-Passion als Lambacher Unikat. Insgesamt wurden von Hofrat Dr. Hans Zedenik (dem zivilen Bruder des Göttweiger Abtes) 191 Blätter für die Ausstellung ausgewählt und in den Werkstätten der österreichischen Nationalbibliothek aus den Klebebänden gelöst.

Als Stätte der Exposition wurde das Ambulatorium im 2. Stock des Stiftsgebäudes zugänglich gemacht. Der großzügige Raum mit Stuckdecken von Diego Francesco Carlone — allerdings restaurierungsbedürftig •— hat gutes Nord- und Südlicht. Der Besucher durchwandert, ehe er ins Ambulatorium gelangt, Treppen und Gänge des Klosters und wird dabei ins Milieu eingestimmt.

Die Blätter in Passepartouts unter Glas liegen auf 19 günstig gegen das Licht gestellten Schrägen. Die Auswahl verdeutlicht einiges von den Intentionen Koloman Fellners, dem es bei der Anlage der graphischen Sammlung auch um Gegenüberstellungen mit den zeitgenössischen Kopisten Dürers ging. Man findet hier also auch Copien en contreposition, Umsetzungen von Holzschnitten in Kupferstiche von Marc Anton Raimondi, die Genesis der Devotionalienherstellung im Gefolge der Dürerschen Kunst.

Die umfangreichen sakralen Zyklen sind vollständig — bis auf das Marienleben. Die Apokalypse liegt in guten Faksimiles auf. Schwächer als in Göttweig und in eher zufälliger Auswahl sind die profanen Darstellungen vertreten. Das Selbstbildnis und die Triumphpforte in den Ausgaben von Lucas Kilian fungieren als Ein- und Ausklang der Reihe.

Der geographische Punkt Lambach ist nicht ohne Bezug. Zwischen den Städten markanter Erinnerungen an Kaiser Maximilian, Wels und Vöcklabruck, hat der Akzent des Stifts an der Traun im Dürer-Jahr auch seine historische Remineszenz.

Die Aufgaben werden schwieriger, komplizierter, anspruchsvoller, je älter man wird; und merkwürdig ist die Einrichtung, daß man zu der Zeit, wo man rein sportlich schon gar nicht mehr auf der Höhe ist, das Schwerste zu leisten hat. Das ist aber nicht etwa eine verkehrte Einrichtung. Das Alter ist der Jugend ganz einfach überlegen, man sage, was man wolle — überlegen durch alles schon Getane; denn durch Voll bringen wird man nicht schwächer, sondern stärker.

Thomas Mann

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