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Der Staat ist auf einem Auge blind

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Die Kirche schleppt eine ungeheure Last, die ist ijjcht süß, sondern steinig. Die Kirche Österreichs ist steinreich. Sie muß 8.000 Baudenkmäler erhalten. Diese Denkmäler - vom Stephansdom bis zur kleinsten Dorfkirche — gehören unverwechselbar zu unserem Land. Und das ist jetzt nicht großspurig gemeint: Die Kirche leistet mit ihrer Denkmalpflege einen unverzichtbaren Beitrag für die historische Identität Österreichs. Sie bewahrt den Menschen dieses Landes ein reiches Erbe. Sie ist „konservativ“ im besten Sinn des Wortes.

Die Kirche schützt-und pflegt die Bauqualität bis ins kleinste Dorf. Natürlich gibt es derzeit Be-

mühungen um die Dorferneuerung — aber was bliebe davon übrig, würde man „die Kirche nicht mehr im Dorfe lassen“?

Das ist nicht selbstverständlich. Frankreich etwa hat vier Kategorien in der Denkmalpflege eingeführt, nach denen historische Bauwerke eingestuft werden. Eins bis drei erhaltenswert — auf vier kann verzichtet werden: Für mich eine gefährliche Drohung. Den Verantwortlichen für kirchliche Denkmalpflege kommt es nicht nur auf gebaute Hochkultur an — wie Dome, Stifte, Klöster, Wallfahrtskirchen -, sie bekennen sich genauso zur schlichten einfachen Dorfkirche als Zeugnis des Glaubens vergangener Generationen. Wir möchten in Österreich beim Ganzen bleiben — allerdings mit wirklicher Offenheit, wo pastorale und liturgische Erfordernisse eine Veränderung verlangen.

Die Situation der kirchlichen Denkmalpflege ist nach wie vor ernüchternd, hat sich trotz großer Anstrengungen seitens der Kirche nicht wirklich gebessert. Die Fakten sind hinreichend bekannt: Hunderte Objekte sind gefährdet; die barocke Bausubstanz geht vom Material her zu Ende; die barocken Großbauten sind kostspielig; der-Stephansdom wird eine Dauerbaustelle bleiben; die Wiener Stadtkirchen des vorigen Jahrhunderts stehen zur Restaurierung an; kleine Gemeinden sind überfordert, ihre Kirchen zu erhalten.

Die Kirche hat mit der Denkmalpflege-Aktion „Ruinen 2000“ aufgeschrien. Die Öffentlichkeit hat aufgehorcht. Inzwischen kann fast jeder Österreicher die Mehrwertsteuerrechnung wiederholen: Die Kirche gibt jährlich für Denkmalpflege rund 950 Millionen Schilling aus; sie zahlt etwa 160 Millionen Schilling Mehrwertsteuer an den Staat; die Kirche bekommt vom Bund (1987) 52 Millionen Schilling Subvention. 108 Millionen verdient der Staat an der kirchlichen Denkmalpflege.

Die Aktion „Ruinen 2000“ ist verklungen; das Verständnis für kirchliche Denkmalpflege hat zugenommen, viele Politiker — bis hin 2u Bundeskanzler und Vizekanzler - haben wohlwollend genickt; eine echte Verbesserung der Lage ist nicht eingetreten. Die politische Entscheidung ist noch immer ausständig.

Bisher wurde sie aus Gründen der Budgetsanierung abgewehrt. Aber das kann die Wahrheit nicht sein. Denn der Verteidigungsminister kann mit einem Schlag Hunderte Millionen für die Sanier rung der Kasernen fordern und erhalten. Der Wissenschaftsminister kann das für Denkmalpflege nicht? Die Museen haben eine Museumsmilliarde gefordert und erhalten, um die vordringlichsten Sanierungsmaßnahmen durchführen zu können. Wann kommt die zusätzliche Denkmal-Milliarde? Eine minimale Verringerung des Straßen- und Autobahn-Budgets zugunsten der Denkmalpflege würde in wenigen Jahren die Sanierung der historischen Substanz gewährleisten. Das Geld ist da, der politische Wille fehlt.

Ich behaupte: Der politische Durchbruch auf dem Gebiet der kirchlichen Denkmalpflege ist noch immer nicht gelungen. Wir werden mit einer geringfügigen Erhöhung der Budgetmittel um wenige Prozente bloß abgespeist. Das ärgert mich, denn wir reden großspurig vom Kulturland Österreich, wir treiben die Touristen in Scharen zu den historischen Bauten — aber der Zustand vieler Objekte wird übersehen (ausgenommen natürlich die „Herzeigeobjekte“). Die österreichische Kulturpolitik — der Staat - scheint auf einem Auge blind zu sein.

Alles in allem: in der österreichischen Kulturpolitik muß sich in Hinblick auf Förderung der Denkmalpflege ein Umdenkprozeß vollziehen.

Wie soll es weitergehen? Ich bin gegen eine weitere Medienkampagne, die über die ruinöse Situation kirchlicher Denkmale jammert. Das ist für die Kirche unwürdig. Sie hat jetzt nicht mehr in aller Öffentlichkeit zu betteln. Aber sie hat ihre Ziele weiter zu verfolgen. Um nur einige zu nennen!

• Erhöhung der Subventionsmittel für Denkmalpflege zumindest auf die Höhe der abgeführten Mehrwertsteuer;

• Steuerbefreiung für Spenden zur Denkmalerhaltung; warum sollen die Denkmale den Museen gegenüber benachteiligt sein? Es gibt genügend Spender und Wohltäter;

• die Verpflichtung des Staates zur finanziellen Förderung der Denkmalpflege soll gesetzlich verankert werden;

• mit einer zusätzlichen Denkmal-Milliarde sollen historische Großbauten saniert werden, ohne daß ständig eine Umverteilung der Subventionsmittel von den kleineren Objekten zu den größeren vorgenommen wird;

• die „Verländerung des Denkmalschutzes“ soll verhindert werden; der Denkmalschutz soll Bundeskompetenz bleiben; denn auf anderen Ebenen ist die Liquidation alter, unbequemer Bausubstanz leichter durchzusetzen -schließlich müssen ja Landeshauptleute und Bürgermeister gewählt werden.

Wir werden in Zukunft mit mehr Selbstbewußtsein von der Unverzichtbarkeit der historischen kirchlichen Baukultur reden müssen. Wir werden es künftig leichter haben. Denn Österreich ist auf dem besten Weg, sich seiner Tradition neu zu verpflichten. Ich nenne nur zwei Daten: die Weltausstellung 1995 und die Tausendjahr-Feier Österreichs 1996.

Der Autor ist Propst des Stiftes Herzogenburg und Vorsitzender der Nö. Abtekonfe-renz.

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