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Expertenstreit: Ist mineralische Dämm-Wolle krebserregend?

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Es gibt sie beinahe überall: In Eigenheimen, Wochenendhäusern, Schulen, Kindergärten und anderen öffentlichen Gebäuden -mineralische Dämmstoffe.

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Es gibt sie beinahe überall: In Eigenheimen, Wochenendhäusern, Schulen, Kindergärten und anderen öffentlichen Gebäuden -mineralische Dämmstoffe.

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Sind sie nun krebserregend oder nicht? In der neuesten Liste der „Maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen" (MAK) werden die in Österreich unter den Markennamen Tel-Wolle und Heralan (Heraklith) bekannten Dämmstoffe jedenfalls unter die neugeschaffene Kategorie „als ob im Tierversuch krebserregend" gereiht.

Viele Häuslbauer sind irritiert. Kein Wunder, gibt es doch kaum einen Neubau oder Dachausbau, der nicht mit Österreichs beliebtestem Dämmaterial ausgekleidet ist. Die Experten warnen zwar davor, bereits verlegtes Material wieder herauszureißen, da dadurch die Gefahr nur größer und mehr Fasern freigesetzt würden - trotzdem bleibt so manchem Heimwerker ein flaues Gefühl nicht erspart. Glaubt man den Herstellern, ist dieses unberechtigt. „Im Vergleich zu Asbest können sich Mineralfasern nicht weiter aufspalten und sind im Körper leichter löslich", meint Robert Schild, Marketingleiter bei Tel-Mineralwolle. Die Rattenversuche wären zudem nicht auf den Menschen übertragbar, da die Fasern von den Versuchstieren nicht eingeatmet, sondern ihnen eingespritzt wurden. „Niemand würde sich Dämmstoffe mit einer Injektionsnadel in den Körper spritzen."

Aber ganz so einfach ist die Sache nicht. Für Sigbort Dobbertin, Toxikologe und Vertreter des Deutschen Umweltbundesamtes in der MAK-Kommission, ist einwandfrei belegt, daß bei Glasfasern mit einem ähnlichen Krebsrisiko zu rechnen ist wie bei Asbest. Bei der nur für Spezialbereiche eingesetzten Keramikwolle liegt es sogar noch höher. „Tierversuche sind nie optimal, im vorliegenden Fall können aber Rückschlüsse auf den Menschen gezogen werden."

Für die Mineralfaserbranche drängt sich der Verdacht auf, daß ihr die

Konkurrenz eins auswi- -

sehen will: In der MAK-Kommission sitzt auch die chemische Industrie, die unlängst eine organische Faser patentieren ließ, die als ungefährlich eingestuft wurde.

Weitere ökologische Probleme der Mineralwolle sind der hohe Energieeinsatz bei der Herstellung sowie das von den Spanplatten her bekannte Bindemittel Phenol-Formaldehyd,

das neben bedenklichen Ausgasungen auch für das Kratzen verantwortlich ist, das jedem bekannt ist, der mit Mineralwolle gearbeitet hat.

Der Werbeslogan „Aus der Natur - Für die Natur7' (Tel) trifft daher eher auf die zahlreichen baubiologisch unbedenklichen Alternativen zu: Matten aus Holz- oder Kokosfa-sern. Sie sind in der Anschaffung aber noch wesentlich teurer.

Kaum teurer ist hingegen ein Dämmstoff aus Zellulose (Isofloc,

_ Isocell), der fast zur Gänze

aus Abfällen gewonnen wird. Wie der Fachhändler Günter Dittrich ausführt, wird das Material ausschließlich aus alten Zeitungen hergestellt. Diese werden verschnipselt sowie mit Borsalzen behandelt und damit vor Brand und Schädlingsbefall geschützt. Die benötigte Energiemenge ist vernachlässigbar, von gefährlichen Abfällen ist nichts bekannt. Auch die Entsorgung ist kein Problem, denn Isofloc kann wiederverwertet werden. Somit läßt sich ein Trend weg von herkömmlichen Dämmstoffen wie Mineralfasern oder Styroporplatten erkennen. Sogar Robert Schild läßt durchklingen, daß sich nun auch die Firma Tel mit der Entwicklung eines Produkts auf der Basis von Pflanzenfasern beschäftigt. Damit Energiesparen nicht mit neuen Umwelt- und Gesund-heitseefahren verbunden ist ...

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