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Gold aus Wien

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In der Tschechoslowakei ist ein neues Gesetz zum Sehnt: von Staatsgeheimnissen in Kraft getreten. Die Liste der „Staatsgeheimnisse“ ist lang und bis in alle Einzelheiten detailliert Offenbar soll das neue Gesetz aber auch eine Nebenwirkung auf die Bürger des Landes haben: da „Staatsgeheimnisse“ vorwiegend an Ausländer „verraten“ werden können, soll es die Tschechen und Slowaken auch vor einem Umgang mit westlichen Ausländern warnen und sie so von der Außenwelt weiter isolieren.

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In der Tschechoslowakei ist ein neues Gesetz zum Sehnt: von Staatsgeheimnissen in Kraft getreten. Die Liste der „Staatsgeheimnisse“ ist lang und bis in alle Einzelheiten detailliert Offenbar soll das neue Gesetz aber auch eine Nebenwirkung auf die Bürger des Landes haben: da „Staatsgeheimnisse“ vorwiegend an Ausländer „verraten“ werden können, soll es die Tschechen und Slowaken auch vor einem Umgang mit westlichen Ausländern warnen und sie so von der Außenwelt weiter isolieren.

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Diese Vermutungen bestätigen auch die in der letzten Zeit auffallend in der Presse hochgespielten Gerichtsurteile über CSSR-Bürger, die im Zusammenhang mit Ausländern wegen verschiedener „Delikte“ verurteilt worden sind. Es ist sogar nicht auszuschließen, daß es sich oft um wirkliche kriminelle Delikte handeln kann, aber der Umstand, daß man so gezielt auf den Umgang mit ausländischen Besuchern verweist, ist durchsichtig und bestätigt die Befürchtung, daß damit eine Angstpsychose unter der Bevölkerung geweckt werden soll.

So berichtete der Prager Rundfunk über den Fall eines Juristen aus der nordböhmischen Stadt Most. Dieser soll angeblich aus Österreich in die Tschechoslowakei Goldmünzen geschmuggelt haben; er soll sich sogar ein Netz von Verkäufern aufgebaut haben und bei der Hausdurchsuchung wurden österreichische Schilling, deutsche Mark und Dollar gefunden. Dazu aber auch der Schlüssel zu einem Safe in einer Wiener Bank, wo der Jurist angeblich mehr als eine Million Schilling deponiert hat. Der Polizeimajor Jirsäk, der über diesen Fall berichtete, gab an, daß im Zusammenhang mit der Verhaftung des Beschuldigten weitere 288 Personen vor Gericht gestellt werden sollen. Drei Hauptangeklagte sollen sich in Haft befinden.

Kindliche Menschenjäger

Auch ein weiterer Fall führt nach Österreich. In der slowakischen Stadt Noväky wurden dreizehn Angestellte der Chemischen Werke

W. Pieck angeklagt, Quecksilber nach Österreich geschmuggelt zu haben. Es soll sich um einige hundert Kilogramm handeln, für die die Angeklagten ungefähr 600.000 Kronen erhalten haben. Nach dem Urteil des Kreisgerichtes in Banskä By-strica wurde der Hauptangeklagte, der Lagerverwalter Zember, zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt.

Auch das dritte, innerhalb weniger Tage veröffentlichte Beispiel hat Bezug auf westliches Ausland — diesmal auf die Bundesrepublik. In Karlsbad wurde ein dort wohnhafter Bürger verhaftet und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil er angeblich junge Mädchen an Touristen aus Westdeutschland verkuppelte. In seinem Notizbuch soll die Polizei mehr als 300 Namen von Mädchen | und Frauen — Studentinnen, Krankenschwestern und Hausfrauen — gefunden haben, die er dann den Touristen für D-Mark angeboten hätte. Er selbst soll jeweils 200 bis 500 Mark kassiert haben, wobei er die Frauen mit höchstens 10 Prozent „abfertigte“. Mit dem Zuhälter sind auch elf der Frauen zu Gefängnisstrafen auf Bewährung verurteilt worden. Die angeblichen Kunden aus München, Frankfurt und Bonn — wie es im Bericht des Prager Rundfunks hieß — wurden nicht bestraft.

Die Leiterin einer Abteilung „Juneer Beschützer der Grenze“, Jana

Lehänkovä, gab im Rundfunk bekannt, daß es heute an der Grenze zu Österreich und Westdeutschland 21 solcher Abteilungen gibt. Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren haben den Grenzschutzbehöriden schon einige Dutzend Leute angezeigt, die versucht haben, die Grenze zu überschreiten. Dies begründete Jana Lehänkovä so: „Wir wollen nicht, daß die Kinder Menschenjäger werden; sie sollen nur bezeugen, daß sie ihr Vaterland heben ...“

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