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CSSR: Wer fürchtet wen?

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Der „Krieg” der CSSR-Be-hörden, der sich in letzter Zeit vor allem gegen die politische Opposition und gegen die Kirche gerichtet hat, wird in verstärktem Maße fortgesetzt. Ein Signal dafür wird die Berufungsverhandlung gegen Ivan Jirous sein, der am 27. September in Usti nad Labern beginnt.

Jirous, Kunsttheoretiker, Fran-tisek Starek, Bauingenieur, Milan Fric, Tischler, Milan Hybek, Student, und Jaroslav Chnapko,

Schlosser, waren bereits im Juni 1982 vor Gericht gestanden. Sie alle sind Mitglieder der „Charta 77,”, der Bürgerrechtsbewegung in der CSSR, deren Manifest sie auch unterschrieben haben.

Beim Prozeß in Chomutov wurden sie wegen angeblicher „Unruhestiftung” zu Haftstrafen zwischen zwei und dreieinhalb Jahren verdonnert.

Die „Unruhestiftung” bestand in der Herausgabe und Verbreitung der unzensurierten Zeitschrift „Vokno” (das Fenster). Sie enthält kunsttheoretische Artikel oder philosophische Abhandlungen über Kunst und Literatur, Nachrichten und Texte aus der Underground-Musikszene und Texte von Autoren, die offiziell mit einem Publikationsverbot belegt sind. Eine kurze Probe aus „Vokno” - es ist ein Text, den die Rockgruppe „Plastic People of Universe” zu einem Lied verarbeitet hat:

„Sie fürchten die Alten wegen ihrer Erinnerung. Sie fürchten die Jungen wegen ihrer Unverdor-benheit. Sie fürchten unterzeichnete Verträge. Sie fürchten sich vor der eigenen Polizei. Sie fürchten sich vor Spionen. Sie fürchten um ihre Spione. Sie fürchten den heiligen Wenzel. Sie fürchten Jesus.”

99 „Furchten” zählt der Text auf, der letzte lautet dann so: „Prostituierte fürchten sie nicht. Die sind ihnen sozial nahe. Denen machen sie Amnestien. Also: Warum fürchten wir sie?”

Jirous, übrigens der Leiter der Rockgruppe, stand schon viermal vor Gericht, zum erstenmal 1976; er wurde damals zu 18 Monaten Freiheitsentzug verurteilt. Diesmal hat er dreieinhalb Jahre ausgefaßt.

Die Berufungsverhandlung am 27. September wird zeigen, ob das Regime weiter.Unnachgiebigkeit und Härte zu demonstrieren bereit ist oder doch nachgibt. Denn wie schon 1976, als unter anderem die Schriftsteller Grass, Boll, Ginsberg gegen das Urteil protestierten, wird auch jetzt eine weltweite Kampagne gestartet.

„Amnesty International” hat sich des Falles von Jirous angenommen und bereitet zusammen mit Exil-Tschechen und einer Reihe prominenter Künstler in Frankreich, England, Holland, den USA, Schweiz und Österreich zwischen dem 22. und 24. September Protestaktionen vor.

Darauf können leider jene Gläubigen und Priester, die im Zuge der verschärften Kirchenkampagne in der CSSR (in die sogar nun eine Spezialabteilung des sowjetischen Geheimdienstes KGB eingeschalten wurde) Repressionen ausgesetzt sind, vorerst nicht hoffen.

Eine Haftverschiebung für den 65jährigen slowakischen Jesuiten Gabriel Povala wurde abgelehnt. Sie war wegen seines schlechten Gesundheitszustandes beantragt worden.

Povala ist wegen „der gesellschaftlichen Gefährlichkeit seines Handelns” — er hatte normale Seelsorge betrieben — zu acht Monaten Haft verurteilt worden. Er wurde von Polizisten im Haus seines Bruders in Ouvoc — wo er sich in Pflege befand - trotz der Einwände der Verwandten gewaltsam abtransportiert. Während der Fahrt erlitt Pater Povala eine

Herzattacke und wurde ins Gefängniskrankenhaus von Trencin eingeliefert.

Unerledigt geblieben ist bisher auch das Ansuchen des herzkranken Franziskanerpaters Jan Bar-ta um Haftverschiebung. Er war wegen „Behinderung der staatlichen Aufsicht über die Kirche” zu 12 Monaten Haft verurteilt worden.

Wie erst jetzt bekannt wird, ist Mitte August auch der 28jährige Priester Josef Dolista verhaftet worden. Ihm wird vorgeworfen, die Schüler einer höheren Schule in Privatwohnungen religiös unterwiesen zu haben. Ihm drohen bei einer Verurteilung bis zu zwei Jahren Gefängnis.

Prag und Vatikan befinden sich aber nicht nur wegen der ständig zunehmenden Verfolgung von Gläubigen und Priestern auf Konfrontationskurs. Man weigert sich von staatlicher Seite, das vatikanische Dekret, das die Mitgliedschaft von Klerikern in der staatlich gelenkten „Friedens-priester”-Organisation „Pacem in Terris” verbietet, anzuerkennen. Man beschuldigt vielmehr den Vatikan, die „subversive Tätigkeit” von Priestern zu dulden oder gar zu unterstützen.

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