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Gott legt Wert auf Partnerschaft

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Der demütige, fromme Sau) wurde verworfen. Er konnte den rechten Weg zu Gott nicht finden. Der große Sünder David war der Erwählte - denn Gott sah seine Reue, und sie war größer als seine Sünde: Das war die erstaunliche Folgerung, die aus der Jüdisch-Christlichen Bibelwoche 1980 in Bendorf am Rhein gezogen wurde.

Zum zwölften Mal trafen einander Christen und .Inden aus verschiedenen europäischen Ländern zu dieser alljährlich stattfindenden Bibelwoche. Im Vorjahr hatte man die Kapitel 1-10 des ersten Samuelbuches durchgenommen, heuer wurde dieses Buch abgeschlossen.

Man erfährt das bittere Schicksal Sauls, bis er sich ausweglos in das eigene Schwert stürzt. Er hat versagt, Gott hat einen anderen König für sein Volk erwählt. Das sind die einfachen Fakten, die uns die Bibel erzählt. Doch wieviel schillernder erscheinen uns die Texte, wenn sie durch Midraschim beleuchtet werden.

Was sind Midraschim? Es sind Lehrgeschichten der Rabbinen zu den Texten des Alten Testaments. Man könnte sie mit den Gleichnissen im Neuen Testament vergleichen. Es ist schwer, in den jüdischen Glauben einzudringen, ohne Midraschim zu kennen.

Es wird gesagt, die Thora, die Lehre, ist das Brot, und die Midraschim sind der Wein. Wieviel besser ist doch das trockene Brot, wenn man Wein dazu trinkt. Die meisten Midraschim sind schriftlich festgehalten worden, teils in der Agada, dem erzählenden Teil des Talmuds, teils in eigenen Sammlungen.

Wie schon erwähnt, wurde Saul verworfen. In tiefster Verzweiflung geht er zur Hexe von Ejn-Dor, die ihm Samuel heraufbeschwören soll, damit er ihn befragen kann. Saul kommt verkleidet und die Frau erkennt ihn nicht, doch in dem Augenblick, da Samuel erscheint, ruft sie entsetzt aus: „Du bist Saul, warum hast Du mich getäuscht?" So weit die Bibel (1 Samuel 28).

Wie konnte die Frau Saul erkennen in dem Moment, da Samuel heraufsteigt? Ganz einfach - lehrt der Midrasch - an der Haltung des Samuel: Vor einem König nehmen die Geister der Verstorbenen eine andere Stellung ein, als vor anderen Fragestellern.

Weiter wird erzählt, daß Saul in dem folgenden Gespräch von Samuel beschuldigt wird, ihn, Samuel, zum Idol gemacht zu haben. Nun wird David König werden und Saul wird in die Schlacht ziehen und fallen.

„Aber wenn ich nicht in die Schlacht ziehe, was dann?" fragt Saul. „Dann bist du gerettet. Doch wenn du Gottes Gericht annimmst, wirst du morgen mit mir im Paradies sein." Saul nimmt das Urteil an und wird erlöst. Das ist die Deutung der knappen Aussage Samuels im Bibeltext" ... und morgen bist du mit deinen Söhnen bei mir___"

Gott hat Saul im Tod angenommen. Wie sehr, erfahren wir wieder durch einen Midrasch: Drei Jahre herrschte Hungersnot im Lande. Es regnete nicht und die Bäche versiegten. Als David sich zu Gott wandte und ihn befragte, sagte dieser: „Wegen Saul... um ihn wurde nicht getrauert. War er denn kein Gesalbter? Gab es etwa Götzendienst in Israel unter seiner Herrschaft? Hat Saul nicht seinen Anteil mit dem Propheten Samuel erhalten? Und du bist hier im Lande - doch er muß draußen liegen!"

Sogleich zog David mit den Ältesten zum Schlachtfeld nach Jabesch Gilead, wo Saul gefallen war, und siehe, seine Gebeine lagen dort unberührt von Würmern. Da legten sie ihn in einen Sarg und zogen mit ihm durch ganz Israel. Als alledem Toten die schuldige Ehrfurcht erwiesen hatten, erbarmte sich der Herr und ließ wieder Regen auf die Erde fallen.

Folgenden Midrasch hörten wir über den jungen David: Warum wurde David von Gott erwählt? Gott sah, daß er ein guter Hirte war. Zuerst ließ er die kleinen Lämmer aus der Umzäunung heraus, und sie durften die zarten Spitzen der Gräser abweiden, denn die Ziegenböcke, die fraßen die mittleren Grashalme, doch die stärksten Tiere kamen zuletzt, denn sie konnten die dicken, zähen Gräser fressen. Und der Herr sagte: „Einer, der seine Herde so weidet und auf jedes Tier nach dessen Vermögen achtet, der soll auch mein Volk weiden!"

Doch Samuel zögerte, den David zu salben, denn „er war rötlich" und die Rothaarigen sind Blutvergießer, man denke nur an Esau. Doch die Rabbinen sagen: „Man kann Blut als Mörder oder als Chirurg vergießen - und es steht geschrieben, daß David wunderschöne Augen hatte!" Und die Augen sind bekanntlich ein Spiegel der Seele.

Nicht nur die Weisheit der Rabbinen wurde den Teilnehmern vermittelt, auch die gemeinsamen Gottesdienste wurden zu einem Erlebnis, das mit der Besonderheit des Hauses verbunden ist. Katholiken, Anglikaner und Protestanten feierten gemeinsam den Sonntagsgottesdienst mit einer Euchäristiefeier.

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