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Humanist und Sozialreformer

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Der 1904 geborene Karl Kummer stammt aus einer Bauernfamilie des Burgenlandes, die wie viele andere nach Wien übersiedelt ist. Hier hat Kummer das Hietzinger Gymnasium besucht und anschließend Rechts- und Staatswissenschaften studiert, dies mit einem großen Interesse und Schwerpunkt im Bereich der Sozialpolitik. So war schon früh in den schwierigen Zeiten der Ersten Republik der Blick des jungen Karl Kummer auf die soziale Frage hin gerichtet - ein Thema, das ihn bis zu seinem Tod im Jahr 1967 bewegt und bestimmt hat. Wer den schichten und offenen Menschen Karl Kummer gekannt hat, weiß um seine tiefe Verbundenheit mit den sozialen Anliegen seiner Zeit, vor allem um sein vielfaltiges Engagement in der Sozialpolitik in allen Bereichen, in denen er gelebt und gewirkt hat, in der Christlichsozialen Partei, in der Österreichischen Volkspartei als Abgeordneter und in dem von ihm mit August Maria Knoll gegründeten Institut für Sozialpolitik und Sozialreform, das heute seinen Namen trägt.

Kummer hat mit seinem Wirken auch wesentlich dazu beigetragen, daß die ÖVP zu einer echten Volkspartei geworden ist; in der unmittelbaren Nachkriegszeit war die Machtstellung des Bauernbundes und des Wirtschaftsbundes besonders ausgeprägt; der Österreichische Arbeiter- und Angestelltenbund mußte „nachziehen". Dabei gab es manche interne harte Auseinandersetzungen: Kummer hat mit seiner ausgleichenden, aber ebenso unbeugsamen Art viel dazu beigetragen, daß ein zukunftsweisender Weg gefunden wurde. Dabei war er immer auch sehr realistisch eingestellt; dies hat auch zu einer sehr positiven Einstellung gegenüber der Wirtschaft und ihren Vertretern geführt. Kummer war kein sozialer Phantast, sondern sich immer der Tatsache bewußt, daß Sozialpolitik einer erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung bedarf.

Kummers besonderes Verdienst lag in der Entwicklung des Arbeitsrechtes. Er war sich immer der Tatsache bewußt, daß der rechtliche Rahmen der Sozialpolitik von entscheidender Bedeutung ist. Als unbedingter Vertreter dest Rechtsstaates war für ihn die Schaffung eines modernen Arbeitsrechtes ein vordringliches Anliegen. Hier hat auch seine wissenschaftliche Aktivität eingesetzt, so durch sein Lehrbuch des österreichischen Arbeitsrechtes. Aus seinem vielseitigen Schrifttum sind neben zahllosen Artikeln vor allem auch die Werke über das Betriebsrätegesetz und die Sozialreform als Zukunftsaufgabe zu nennen.

Kummer ist es eben um eine zukunftsorientierte sozialpolitische Konzeption gegangen, im Sinne der Katholischen Soziallehre um eine Sozialreform, um die Schaffung einer humanen Gesellschaftsordnung. Seine tiefe Verwurzelung im Christentum, seine Verbundenheit mit der katholischen Kirche und ihrer Sozialreform war für ihn auch das Programm für das von ihm geschaffene Institut für Sozialpolitik und Sozialreform, das dann auch zu Gründung anderer „Kummer-Institute" in den Bundesländern Steiermark, Salzburg und Vorarlberg geführt hat.

Politik des Ausgleichs

Seit 1956 war Karl Kummer im Nationalrat tätig, dies immer aus jenem Geist heraus, der für ihn seit früher Jugend entscheidend war: Eine Sozialpolitik aus einem praktisch gelebten Sozialhumanismus heraus. Das 1953 gegründete Institut sollte dabei eine wichtige Hilfsstellung einnehmen.

In diesem Institut wurden entsprechende Studien erstellt, Entscheidungshilfen für die Sozial- und Wirtschaftspolitik erarbeitet und in der heute noch bestehenden Zeitschrift (die einige Namensänderungen durchgemacht hat) Grundgedanken zur Gesellschaftsordnung publiziert.

Kummer war kurze Zeit im Jahr 1938 verhaftet; später hatte er sich auch in der Widerstandsbewegung betätigt, ein Bekenntnis zur Demokratie und zu einer Politik des Ausgleichs war aus seinen Erlebnissen in der Zeit der Diktatur und des totalitären Staates mit beeinflußt worden. Kummer hat auch die Entwicklung der Sozialpartnerschaft in der Zweiten Republik mitbestimmt - dies aus seiner Haltung der Toleranz und des sozialen Ausgleiches heraus.

Junge Menschen kennen heute selten den Namen Karl Kummer - allenfalls haben Studenten vom Institut gehört oder einmal die Zeitschrift „Gesellschaft und Politik" in der Hand gehabt. Auch jüngere Politiker kennen vielfach den Namen Karl Kummer nicht mehr. Der Typ Politiker, den Kummer dargestellt hat, ist heute auch selten geworden - dies sicher nicht zum Vorteil der alten Parteien. Es mag auch sein, daß das Kummer-Institut für Sozialpolitik und Sozialreform nicht mehr jene Bedeutung für die Politik und insbesondere die ÖVP hat, wie noch vor etlichen Jahren. Vielleicht besteht ein Zusammenhang damit, daß eben auch die ÖVP nicht mehr jene Bedeutung hat wie zur Zeit des Wirkens der Politiker, die wie Kummer persönliche Lebensführung und politisches Bekenntnis untrennbar verbunden hatten. Diese Politiker gibt es gewiß auch heute noch - sie scheinen aber nicht mehr jene Bedeutung zu haben wie damals. Vielleicht sind auch wissenschaftlich erarbeitete Entscheidungshilfen nicht mehr so gefragt wie in den fünfziger oder sechziger Jahren. Die Besinnung auf die Christliche Soziallehre sollte wohl auch wieder mehr hervortreten. So gesehen dürfte auch das Kummer-Institut für Sozialpolitik und Sozialreform Zukunftsaufgaben haben, scheint die Erinnerung an Karl Kummer doch mehr zu sein als ein kurzes Gedenken eines verdienten Politikers.

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