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Kummer mit dem Institut

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„Hat hier eine Gruppe von Sektierern einen gesellschaftlichen Schrebergarten geschaffen, in dem Probleme diskutiert werden, die längst mit der Realität nichts zu tun haben, die Reminiszenzen pflegen aus der heroischen Phase der christlichen Arbeiterbewegung, oder ist es mehr, was in diesem Institut gepflegt und diskutiert wird?“

Es war und ist mehr: optimistisch antwortete Josef Taus im November 1978 anläßlich der Feier zum 25jährigen Bestand des „Institutes für Sozialpolitik und

Sozialreform“ auf die von ihm gestellte rhetorische Frage. Taus war damals zugleich Obmann des Institutes und Bundesparteiob-mann der ÖVP. Und er hatte seine wesentlichste politische Prägung in diesem Institut erfahren.

Am 19. September 1953 wurde in Wien jene christlich motivierte sozialreformerische Denkfabrik ins Leben gerufen, in der wichtige sozialpolitische Maßnahmen der fünfziger und sechziger Jahre erdacht und in konkrete Gesetzesvorschläge gegossen worden sind.

Als erster Präsident fungierte der unermüdliche Theoretiker der Katholischen Soziallehre August Maria Knoll, als erster geschäftsführender Obmann der engagierte christliche Arbeitnehmer-Politiker Karl Kummer. Vor allem seiner Initiative und seinem Einsatz verdankt das Institut letztlich die Existenz.

Kummer hat dann auch bis weit in die sechziger Jahre hinein „seinem“ Institut seinen ganz persönlichen Stempel aufgedrückt. Nicht weiter verwunderlich, wenn das Institut für Sozialreform in der Öffentlichkeit bald als Karl-Kummer-Institut geläufig ist — daran hat sich bis heute nichts geändert.

Geändert hat sich allerdings das gesellschaftliche und politische Umfeld, in dem das Kummer-Institut seine Tätigkeit entfalten will. Nicht, daß die Herausforderungen unserer Zeit weniger brisant wären — von der bedrohten Umwelt bis zum bedrohten Arbeitsplatz —, nur: der Reformeifer ist in allen politischen Lagern beinahe zu einer Schrumpfgröße degeneriert.

Das Erreichte sichern, lautet die Parole, nur keine Experimente, eine andere. Vorausdenker sind da, scheint's zumindest, weniger gefragt.

Das alles mag mit dazu beigetragen haben, daß es in den letzten Jahren um das Kummer-Institut relativ still geworden ist. Die Veranstaltungen und Arbeitsergebnisse haben in der Öffentlichkeit stark an Resonanz eingebüßt, und auch der Besuch der Veranstaltungen und Vorträge deutet eher auf Stagnation hin.

Nicht gerade förderlich ist unter diesen Umständen die Tatsa-

che, daß der Obmann-Sessel des Kummer-Institutes seit dem allzu frühen Tod von ÖGB-Vizepräsi-dent und Obmann der Fraktion Christlicher Gewerkschafter Hans Gassner verwaist ist. Mehrere Anläufe, diese für das Institut auf die Dauer untragbare Situation zu bereinigen, sind bislang immer noch gescheitert.

Für den 14. Februar ist nun erneut eine Vorstandssitzung des Kummer-Institutes einberufen, auf deren Tagesordnung neben „Eröffnung und Begrüßung“ sowie „Allfälliges“ als alleiniger Tagesordnungspunkt die „Obmannfrage“ auf dem Programm steht. Und wenn nicht alle Anzeichen täuschen, dann fällt dieses Mal auch eine Entscheidung.

Auf den neuen Obmann des Kummer-Institutes wartet indes jede Menge Arbeit.

Einmal geht es um organisatorische Reformen. Das „Institut für Sozialpolitik und Sozialreform“ zählt heute rund 120 Mitglieder. 18 von ihnen bilden den sogenannten Vorstand, das eigentliche Entscheidungsgremium, und 54 Mitglieder sind zugleich Kuratoren. Das Kuratorium ist jenes Gremium, das dem Vorstand beratend zur Seite steht.

Diese leicht hypertrophe Organisation für einen 120 Mitglieder starken Verein mag auch der Grund dafür sein, daß das Kummer-Institut über zuwenig Nachwuchs Klage führt. Der neue Obmann wird sich daher ehebaldigst auf die Suche nach kreativen, auch unkonventionellen jungen Leuten aus der Wissenschaft, der Gewerkschaft, der Wirtschaft und der Politik machen müssen.

Mit der Reform der personellen Struktur und der Rekrutierung neuer Kräfte allein ist es aber noch lange nicht getan. Hand in Hand damit — vielleicht sogar vorrangig — muß eine inhaltliche Reform der Instituts-Arbeit gehen.

In den letzten Jahren hat man sich oft damit begnügt, „Denkanstöße“ zu geben. Das allein ist zuwenig. Das Karl-Kummer-Insti-tut war immer der Treffpunkt all jener, denen die realpolitische Umsetzung der Inhalte der Sozialenzykliken ein Anliegen ist.

Das Institut lebt von der Wechselwirkung zwischen Studierstube und praktischem Leben. Mit Sozialphilosophie allein ist da kein Staat zu machen. Gerade in der Sozialpolitik darf nicht im luftleeren Raum thedretisiert werden.

Schließlich steht auch die Zusammenarbeit mit der politischen Partei, die auf dem gleichen Werte-Fundament aufbaut, nicht zum besten. Hüben wie drüben, im Kummer-Institut wie in der ÖVP, treten Berührungsängste zutage. Was unverständlich ist. Denn derzeit können beide nicht für sich in Anspruch nehmen, eine geistige Innovationsagentur zu sein. Das war zumindest das Kummer-Institut einmal für die OVP.

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