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Innsbruck zwischen Berlin und Wien
Diplomaten sind nicht nur da, um im Frack bei Empfängen den Damen galant die Hand zu küssen oder beim Cocktail das Glas mit dem Daiquiri geschickt zu balancieren, sie können zuweilen auch als ernste Chronisten sich betätigen und uns somit einen fruchtbaren Ausblick dn die geschichtliche Vergangenheit eröffnen. Der jetzige bundesdeutsche Generalkonsul in Innsbruck, Dr. H. K. Vaca-no, ein Preuße italienischen Ursprungs, der den Charme des Südländers mit nördlicher Tüchtigkeit verbändet, und dem die Archive seines Büros zur Verfügung standen, hat in diesem soliden Buch das Verhältnis zwischen eng verwandten und geographisch benachbarten Völkern geschildert, das durch allerlei Phasen der Emotionen gegangen ist. Der Bayrische Ministerpräsident, der Landeshauptmann von Tirol und der Bürgermeister von Innsbruck sowie der Verfasser selbst haben Vorworte zu diesem seriösen Opus geschrieben, das dem Leser allerlei Leckerbissen bietet.
In der Regel waren die Stellung und der Aufgabernkreis eines deutschen Konsuls, Wahlkonsuls oder Generalkonsuls in Innsbruck recht delikater Natur. Probleme gab es schon im Ersten Weltkrieg mit seiner tragischen Nibelungentreue, gesteigerte Probleme galb es dann als
Folge des Anschlußeifers und des „alldeutschen“ Lokalplebiszits, an dessen Ausgang sich unsere Neo-Austriazisten lieber nicht erinnern wollen. Noch schwieriger wurden die Beziehungen mit dem Aufstieg de3 nationalen Sozialismus jenseits der Porta Claudia und der lOOO-Mark-Sperre, die gerade in Tirol fatale Auswirkungen hatte. Der Dollfußmord, die Agonie des Ständestaates, der Hiatus, der mit der braunen Besetzung begann und bis zur zaghaften Wiederaufnahme der Beziehungen mit der Eröffnung der „Deutschen Fürsortgestelle“ am 1. Jänner 1953 dauerte — all das wird uns in Erinneruing gebracht. Der erste Konsul war Dr. Max Zweicknagel, Baier und Schwiegervater eines bedeutenden Politikers: Franz Josef Strauß.
Ein reichhaltiges, färbig, oft humorvoll geschriebenes Buch, das anschaulich erzählt, vieles genau belegt und vielleicht noch mehr zwischen den Zeilen erraten läßt Das Interesse, das es bietet, geht weit ■über den Rahmen Tirols hinaus.
KAISERLICHES UND DEUTSCHES KONSULAT IN INNSBRUCK 1896 BIS 1973. Von Dr. Hans Karl Vacano. Wagnersche Universitätsbuchhandlung, Innsbruck 1974. 240 Seiten, Ganzleinen, 195 Schilling.
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