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Nicht nur Suppen kann man versalzen

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In der Großstadt hat man mit dem Verbot der Salzstreuung eine wesentliche Ursache des Baumsterbens ausgeschaltet. Aber ist das einst gestreute Salz wirklich schon weg?

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In der Großstadt hat man mit dem Verbot der Salzstreuung eine wesentliche Ursache des Baumsterbens ausgeschaltet. Aber ist das einst gestreute Salz wirklich schon weg?

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Wenn man im August durch Wiens Alleen geht, glaubt man sich - obwohl vom Datum her Hochsommer herrscht — bereits in den Herbst versetzt. Die Blätter der Bäume sind gelb geworden und beginnen abzufallen. Mitunter kommt es sogar zu einem Ausfall ganzer Äste und Kronenbereiche.

Der Grund für diese Schadsymptome ist die großflächige und großzügige Verwendung von Natriumchlorid-haltigem Streusalz, die zwar schon im Dezember 1982 verboten wurde, deren Auswirkungen aber erst in etwa zehn Jahren beseitigt sein werden. Die Böden der Großstadt bergen praktisch eine hohe „Salzfracht”, aber auch in Blättern und Zweigen der Wiener Alleebäume konnte ein enorm hoher Salzgehalt festgestellt werden — bis zum 50fachen des Normalwertes.

Im Rahmen eines Forschungsprojektes, das im Auftrag der Wiener Magistratsabteilung 22 (Umweltschutz) und in Zusammenarbeit mit dem Wiener Stadtgartenamt unter Leitung von Roland Albert (Dozent am Institut für Pflanzenphysiologie der Universität Wien) durchgeführt wurde, untersuchten die Wissenschafter die Bäume und Böden in Wiens Straßenzügen und die Auswirkungen bisheriger Sanierungsmaßnahmen.

Wenn auch die üblichen großstädtischen Umweltbedingungen, wie hoher Schadstoffgehalt der Luft, tiefer Grundwasserstand, „versiegelte” Baumscheiben, mitspielen, so steht Salz nach wie vor an oberster Stelle der großstädtischen Streßfaktoren für den Baum.

Die starke Konzentration des

Natriumchlorids im Boden führt einerseits zu physikalischen Veränderungen, die Bodenverdichtungen und damit Luft- und Wassermangel mit sich bringen; andererseits wird durch chemische Veränderungen der Mineralstoffhaushalt des Bodens gestört.

Die Niederschläge einer Vegetationsperiode reichen aber nicht aus, um die Salzmenge eines Winters aus dem Boden zu waschen. Wie die Wissenschafter in den Beobachtungsjahren 1983 und 1984 feststellten, sinkt dadurch der Salzgehalt nur in den oberen Bodenschichten, ab etwa 40 Zentimeter Tiefe bleibt er aber fast gleich.

Albert: „Das bedeutet, daß trotz des Salzstreuverbots die tief wurzelnden Alleebäume noch viele Jahre bis Jahrzehnte dem ,Salz-streß' ausgesetzt wären. Bei allen Bemühungen zur Rettung des Baum-Altbestandes entlang der Wiener Straßenzüge muß dem Einsatz von Bewässerungssystemen — als einfache Tankwagen-Bewässerung oder über installierte Rohrleitungen — eine zentrale Rolle eingeräumt werden.”

Denn im Laufe der Untersuchungen wurden nicht nur Salz-und Mineralstoffgehalt der Böden und Bäume gemessen, sondern auch die Auswirkungen bereits begonnener Sanierungsmaßnahmen überprüft.

Vergrößerung und Öffnung der versiegelten Baumscheiben, Lok-kerung und zum Teil Austausch der obersten Bodenschichten, Schutz gegen unmittelbar in Baumnähe parkende Kraftfahrzeuge, Düngung und die Installation von Zusatzbewässerungen, wo es technisch möglich ist, sind die wichtigsten dieser Maßnahmen.

Fazit der Untersuchungen: Alle Rettungsversuche der Wiener Alleebäume müssen durch reichliche Bewässerungen unterstützt werden. Denn dabei ging der Salzgehalt im Boden bereits nach einem dreiviertel Jahr bis in eine Tiefe von 80 Zentimeter stark zurück, in den Bäumen selbst konnte er bereits um mehr als die Hälfte gesenkt werden. Bei Sanierungsprogrammen ohne Bewässerung wurden nur die oberen Bodenschichten vom Salz befreit, die Salzentlastung in Blättern und Zweigen betrug nur zehn bis 30 Prozent.

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