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Nützliches Wahlgeschenk

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Am 1. Oktober 1973 soll in Linz eine neue österreichische Kunsthochschule ihren Studienbetrieb aufnehmen: Die oberösterreichische Landesmetropole soll damit zum Nabel für . österreichisches „Industrial Design“ werden. Denn während sich die Wiener Kunsthochschulen den „schönen Künsten“ verschrieben haben, soll es westlich an der Donau viel praktischer hergehen.

Landesvater Dr. Wenzl wußte kürzlich einer Journalistengruppe zu berichten, daß die Gründung der Linzer Kunsthochschule für Gestaltung nur noch Formsache sei: Der Bund, das Land und die Stadt Linz sind sich über die wesentlichsten Dinge — nämlich die Finanzierung — einig, die Verhandlungen sind praktisch abgeschlossen. Demnach werden die Stadt Linz und das Land Oberösterreich je ein Sechstel der laufenden Kosten für die neue Hochschule „begleichen“, zwei Drittel werden vom Bund gezahlt. Was fehlt, ist der parlamentarische Beschluß zur Hochschulneugründung. Doch auch dabei sind wenig Schwierigkeiten zu erwarten, sind sich doch die Parteien auf Landesebene in ihren Bemühungen durchaus einig.

Diese Einigkeit rührt wahrscheinlich auch daher, daß im Jahr 1973 die Oberösterreicher bei einer Landtagswahl aufs neue ihre Gunst auf die Parteien verteilen können. Deshalb wurde auch dieser Termin — obwohl man offiziell nichts davon hören will — nach den Landtagswahlen ausgerichtet. Nun aber gegen ein solches Projekt zu sein, hieße von vornherein gegen oberösterreichische Interessen zu handeln. Nutznießer dieser Situation dürfte dabei zweifelsohne das österreichische „Industrial Design“ sein, das nunmehr mitten in einem Industriegebiet ein

Zentrum erhalten wird: alles in allem also ein nützliches Wahlgeschenk.

Keine Raumsorgen

Die neue Kunsthochschule in Linz wird aber darüber hinaus noch einen weiteren Vorteil haben: sie soll nämlich nicht am „grünen Tisch“ konstruiert werden, sondern hat als Nichthochschule schon ihre Feuertaufe bestanden.

Schon seit 1947 gibt es nämlich in Linz eine Kunstschule, aus der die Kunsthochschule organisatorisch hervorgehen soll. Sie ist im „Finanzgebäude West“ auf Nummer 8 des Linzer Hauptplatzes untergebracht. Jetzt müssen nur noch mehr Räume in diesem Gebäudekomplex freigemacht werden — so werden das Standesamt, die Stadtbibliothek und die Neue Galerie übersiedeln — und das Raumproblem, das sonst den österreichischen Hochschulen Sorgen macht, ist gelöst. Allerdings müßte woanders noch „aufgestockt“ werden: nämlich bei den Professoren. Derzeit unterrichten an der Kunstschule fünf Professoren, mit denen eine Kunsthochschule kein Auslangen finden könnte. Sechs bis sieben ordentliche und zwei außerordentliche Professoren sowie fünf Lehrbeauftragte sollen deshalb für die Hafenstadt Linz „angeheuert“ werden.

Der Studienplan wird sich nahtlos in die „gestaltungsmögliche“ Industrie einfügen: Neben dem „Industrial Design“, der Umweltgestaltung und der Kunsterzieherausbildung würden die Werbegraphik, die Keramik und vor allem die Metallverarbeitung zusätzlich zur üblichen Graphik, Malerei und Bildhauerei betonte Förderung erhalten. Vor allem in der Zusammenarbeit zwischen Theorie und Praxis sehen die Väter der neuen Linzer Hochschule die Chance: Schon jetzt an der Kunstschule besteht neben der theoretischen Ausbildung die praktisch-und industrieorientierte Arbeit, vor allem zusammen mit den VÖESt. Diese Zusammenarbeit soll weiter intensiviert, neue Möglichkeiten, die sich durch die oberösterreichische Keraniik- und Möbelindustrie ergeben, sollen erschlossen werden.

So gesehen steht die Linzer Hochschule für Gestaltung auf einem soliden Fundament, um das sie so manche andere österreichische wissenschaftliche Ausbildungsstätten beneiden dürften. Dementsprechend könnte auch der Zulauf für diese Hochschule sein. Landeshauptmann Wenzl rechnet überschlagsweise mit rund 500 Hörern im Endausbau, womit der Studienbetrieb noch überschaubar bleiben würde.

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