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Tausend Jahre wie ein Tag

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Nara und Taipei dürfen sich um die Ehre streiten, das älteste Museum der Welt zu beherbergen. Der Shosoin in Nara umschließt den ganzen persönlichen Besitz des Kaisers Shomu aus dem 8. Jahrhundert, aber seine 100.000 Gegenstände sind nicht zugänglich.

Das Palastmuseum in Taipei aber enthält 600.000 Objekte, von denen ständig 3000-4000 ausgestellt sind. Mit einem Wechsel alle drei Monate kann das Museum 14

Jahre lang immer neue Bestände vorlegen: über 7000 Bronzegefäße, jene frühesten und schönsten Hervorbringungen des chinesischen Kunstsinns, 23.000 Porzellane, 6000 Gemälde und Kalligraphien und 150.000 seltene Bücher, Lackwaren, Emailgefäße, Geschichtsdokumente, Ausgrabungsfunde, die Aufzählung will kein Ende nehmen.

Die Schätze stammen aus dem Kaiserhof von Peking. Vor der Machtübernahme der Kommunisten wurden sie in 3824 Kisten nach Taiwan gebracht und dadurch für die Menschheit gerettet. In Peking wären sie von den Roten Garden der Kulturrevolution, wie andere unersetzliche Schätze, vandalisiert worden.

Die Kisten sind des Reisens gewohnt. Zu Beginn des japanischen Angriffs (18. September 1930) hatte Tschang Kaishek sie nach Nanking in Sicherheit gebracht, 1936 ins innerste Herzland Chinas nach Szechuan. Nach Kriegsende kehrten sie nach Nanking zurück, der Hauptstadt der Nationalisten, aber nicht für lange.

Aber auch in früheren Jahrhun derten waren Zerstörungen, Beraubungen und Verlegungen nicht zu vermeiden, denn in China lösten sich nicht weniger als 24 Dynastien ab; jeder Wechsel zog eine Kulturrevolution und lange Bürgerkriege nach sich. Nicht zuletzt räumten die alliierten Truppen während des zweiten Opium- Krieges (1860) und der Boxerrebellion (1900) mit vielen Schätzen auf.

Kunstschätze zu sammeln war seit uralten Zeiten das Vorrecht der Kaiser. Schon im „Buch der Riten“ vor beinahe 3000 Jahren stand geschrieben: „Der Herrscher besitzt und erfreut sich an Gold und Jade“. Dieses Buch kennt auch bereits ein „Kaiserliches Schatzhaus“ und ein „Inneres Schatzhaus“.

Vor 2000 Jahren verzeichnet die Han Dynastie eine Bibliothek und eine Palastsammlung mit den poetischen Namen Kristall-Pavil- lion und Wolkenterrasse. Ein Literaturschatzhaus und einen „Pa- villion des auf steigenden Nebels“ kannten die „Goldenen Tang“, unter denen die Chinesische Kultur ihre höchste Blüte (6. bis 9. Jahrhundert) erreichte.

Mit ziemlicher Sicherheit finden sich unter den heutigen Beständen Objekte, die schon vor 1000 Jahren in den Verzeichnissen figurieren, z. B. die „Feng-hua“- Flasche, die der Kaiser Kao-tsung der Sungdynastie seiner Konkubine Liukui-fei verehrt hatte. Die Sammeltätigkeit verschiedener Kaiser ist gut dokumentiert. Wesentliche Bestände überdauerten alle Krisen und Umstürze bis zur Ausrufung der Republik.

Die Einrichtung des Palastmuseums ist vor allem Li Yü-ying zu verdanken, der während seiner Studien in Paris den Louvre bewunderte, ein zum Museum verwandelter Königspalast. Diese Formel wollte er in Peking verwirklichen. Er war selbst ein führendes Mitglied der Kuo Ming Tang, und sein Vater, Li Hung- chao, war der wichtigste Staatsmann des 19. Jahrhunderts gewesen.

Zum 100. Geburtstag von Tschang Kaishek fand das Museum in einem palastähnlichen Gebäude auf einem Hügel über Taipei gebührende Unterkunft. Ein großer Stab von Fachleuten, mit allen modernen (Techniken vertraut, nimmt sich der Kostbarkeiten an. Jedes Jahr pilgern gegen 2 Millionen Menschen durch die weiten Hallen. In einem Stollen tief im Berg lagern die Schätze in Sicherheit; bis sie, wie hier die Hoffnung kbt, eines Tages in ihre alte Heimat zurückkehren können.

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