6808655-1972_21_18.jpg
Digital In Arbeit

Das National Palace Museum

Werbung
Werbung
Werbung

Eines der großartigsten Erlebnisse für jeden Besucher Taiwans stellt zweifellos ein Besuch im National Palace Museum bei Taipeh dar, dessen Sammlungen nach Meinung aller Fachleute gleichwertig neben die berühmtesten Museen und Galerien des Westens gestellt werden können. Mit dem Bau dieses riesigen Museums inmitten des Hügellandes am Rande der Millionenstadt und mit der Zusammenstellung der Sammlungen zu einer Kollektion von einmaliger Wirkung, hat die Republik China eine beachtliche- -kulturelle Leistung vollbracht.

Das Museum wurde ursprünglich schon am 10. Oktober 1925 in Peking gegründet, um die unzähligen Kunstschätze, die in fast zwei Jahrtausenden von den Herrschern Chinas gesammelt worden waren und die sich großteils im kaiserlichen Palast von Peking oder in den kaiserlichen Sommerresidenzen zu Jehol und Mukden befanden, zusammenzufassen und zu schützen.

Die heute im National Palace Museum untergebrachten Kunstschätze waren ursprünglich in zwei Pekinger Museen, im „Palastmuseum” und im „Zentralmuseum”, untergebracht. Durch ihre nun erfolgte Zusammenlegung wurde die gewaltigste Sammlung chinesischer Kunstschätze geschaffen, die heute in der Welt existiert.

Die Geschichte dieser Sammlungen im letzten halben Jahrhundert spiegelt die leidvolle Geschichte Chinas der vergangenen fünfzig Jahre wieder. Bei Beginn der japanischen Invasion in der Mandschurei, 1931, wurden die Kunstwerke zunächst nach Shanghai und später nach Nanking in Sicherheit gebracht. Später, als die Japaner tiefer nach Nordchina eindrangen, verbrachte man sie vor den japanischen Truppen ins Innere Chinas, in die Provinz Szechuan, von wo sie zu Ende des zweiten Weltkrieges wieder nach Nanking zurückkehrten. Von hier wurden sie 1948, als die Kommunisten sich Nanking näherten, nach Taiwan gebracht.

Temporär in Taichung, in Mitteltaiwan, untergebracht, wurden die Kunstgegenstände im Jahr 1965 abermals übersiedelt, und zwar in das dem Gründer der Republik China, Sun Yat-sen, gewidmete National Palace Museum, welches auf chinesisch Chung-Shan-M}iseum heißt. Seit jenem 12. November 1965, da das Museum anläßlich der Hundertjahrfeier des Geburtstages von Sun Yat-sen seine Tore öffnete, haben die fast 300.000 Kunstgegenstände nicht nur Hunderttausende von Touristen erfreut, sondern auch Forschern und Kunsthistorikern wertvolles Anschauungsmaterial geliefert. Das dreistöckige Museum wurde im Dezember 1966 und im April 1969 mit je einem weiteren Flügel versehen. Neben den Ausstellungsräumen umfaßt das Museum einen Vorlesungssaal, eine Bibliothek, Archive, Konferenzräume, Forschungslabors und das Sekretariat. Die nicht gerade ausgestellten Kunstgegenstände befinden sich in einem luftgekühlten Tunnel hinter dem Museum. Neben Ausstellungsräumen für Bronzen, Jade, Porzellan, Malerei, Kalligraphien, Stickereien und seltene Bücher beherbergt das Museum auch Orakeiknochen und andere Funde aus den Ausgrabungsstätten in Anyang.

Die Ursprünge des chinesischen Museumswesens lassen sich bis in die vorchristliche Chou-Dynastie zurückverfolgen, als der Kaiserhof bereits einen offiziellen Ort für die Sammlung von Kult- und Kunstgegenständen bestimmte. Oftmals wurden Kunstschätze in den Wirren der Zeit zerstört, so etwa beim Fall der beiden Hauptstädte Loyang und Ch'angan zur Zeit der Tang-Dynastie (618 bis 906). Der Hof der Sung-Dynastie gilt bereits als Beschützer und Bewahrer der Kunst. Kaiser

Hui-tsung (1119 bis 1125) ließ zwei Kataloge über Malerei und Kalligraphie kompilieren. Die dort angeführten Werke sind zum Teil heute noch im Palastmuseum zu sehen. So kann man sagen, daß die Ursprünge des Museums in der Nördlichen Sung-Dynastie zu suchen sind, was eine fast tausendjährige lückenlose Geschichte des Museums bedeutet, während viele Einzelstücke zwei- bis dreitausend Jahre alt sind.

Nach dem Fall der Sung-Dynastie wurde der Großteil der Kunstgegenstände in die mongolische Hauptstadt Peking, in der frühen Ming-Periode nach Nanking, unter Kaiser Oh'eng-tsu erneut nach Peking übersiedelt. Die Ch'ing-Dynastie kann sich zahlreicher kaiserlicher Kunstkenner und Kunstgönner rühmen, welche, wie Kaiser Kao-tsung, die Sammlung im Palast beträchtlich vergrößerten. Neben der Palastsammlung ist, wie schon erwähnt — auch vor allem auf die Sammlungen in den Sommerpalästen Mukden und Jeho4--hinguweiaeii.

Eine der Hauptaufgaben, die sich das Palastmuseum in Taiwan gestellt hat, ist eine genaue Registrierung der Objekte und ihre Aufbewahrung in speziellen Metallkisten. Die Kisten für die Bronzen wurden bereits zum größten Teil fertiggestellt. Ferner wurde ein Forschungslabor im Museum eingerichtet, in dem — in Zusammenarbeit mit der Tsing-hua-Universität — die Bronzen intensiven chemischen und physikalischen Analysen unterzogen werden. Außerdem gibt es Programme für die Erforschung der besten Konservierungsmethoden, oder der Feuerungsprozesse bei der Porzellanherstellung. Weitere Aufgaben des Museums sind die Ver-

öffentlichungen von Kunstbänden, Katalogen, Bulletins und Kurzberichten, die Organisation von Sonderausstellungen eines bestimmten Malers, einer Malschule oder einer bestimmten Periode sowie die Organisation von Symposien.

Obwohl während der militärischen Konflikte in den Jahren 1860 und 1900 und im Gefolge des Sturzes der Mandschu-Regierung, 1911, viele Kunstschätze im Palastmuseum verloren gingen und obwohl nicht alle Objekte nach Taiwan transportiert werden konnten, ist das Palastmuseum dennoch heute, wie bereits erwähnt, in jeder Hinsicht die umfangreichste Sammlung chinesischer Kunst in der Welt. So befindet sich in allen übrigen Museen der Welt zusammengenommen nicht einmal die halbe Zahl der Bilder, die im Palastmuseum zusammengefaßt wurden. Dank der reichen Bestände aus der Sung- und Yüan-Zeit, dem goldenen Zeitalter der chinesischen Landschaftsmalerei, sind systemati-—sehe-Malereiausstelilungen jeder Art möglich.

Neben den Bronzen, dem Porzellan, der Jade, den Emails sind die seltenen Bücher nicht zu vergessen, welche Dokumente in Mandschurisch und Chinesisch, Archive des Großen Rates, die Denkschriften hoher Beamter und Abhandlungen über die verschiedenen politischen und administrativen Maßnahmen der Kaiser umfassen, und so ein wertvolles historisches Quellenmaterial überliefern.

So stellt das National Palace Museum eine Sammlung von außerordentlicher und faszinierender Vielfalt dar, ein getreues Spiegelbild der viele Jahrtausende alten Kultur des chinesischen Volkes.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung