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Schwarze Stadt an der Seidenstraße

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Der Wüstensand hat die Bilder und Skulpturen, die Bücher und Manuskripte, das Porzellan konserviert. Russische Forscher haben die Schätze 1909 wiederentdeckt.

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Der Wüstensand hat die Bilder und Skulpturen, die Bücher und Manuskripte, das Porzellan konserviert. Russische Forscher haben die Schätze 1909 wiederentdeckt.

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Im kurzlebigen Reich der Tanguten, das im 11. und 12. Jahrhundert eine politisch und wirtschaftlich bedeutende Rolle in den zwischen China und Tibet gelegenen Gebieten am Anfang der Seidenstraße spielte, lag die Grenzstadt Khara Khoto. Der Einfall der Mongolen und die Zerstörung der Ansiedlungen durch Tschingis Khan im Jahre 1227 ließ die buddhistische Kultur dieser Region in Vergessenheit geraten. Erst im Jahr 1909 gelang es einer russischen Expedition, die vom Wüstensand verschüttete „Schwarze Stadt" Khara Khoto wiederzuentdecken.

Nach monatelangen Grabungen stießen die Forscher auf einen großen Stupa, ein Grabmonument, in dem zahlreiche buddhistische Gemälde auf Seide und Leinwand, Skulpturen, Bücher und Manuskripte, Porzellan entdeckt wurden. Im trockenen Wüstenklima waren die Objekte erhalten geblieben, die Bilder hatten nichts von ihrer ursprünglichen Leuchtkraft und ihrem mystischen Zauber verloren.

Ihr materieller Wert ist unschätzbar, ebenso ihr kunstgeschichtlicher Rang. Sie sind aber auch Zeugen der hohen Kultur der Tanguten. Seit der ersten Ausstellung dieser Funde in St. Petersburg im Jahre 1910 wurde die Sammlung aus Khara Khoto in ihrer Gesamtheit nie außerhalb

der Staatlichen Eremitage gezeigt oder in einer wissenschaftlichen Bearbeitung veröffentlicht. Im Wiener Völkerkundemuseum wird sie vom 24. November bis 13. Februar 1994 unter dem Titel „Die schwarze Stadt an der Seidenstraße - Buddhistische Kunst aus Khara Khoto" erstmals im Westen zu sehen sein.

Interessant ist die Ikonographie der gezeigten Werke, läßt sie doch erkennen, daß die buddhistische Kultur ihre Darstellungsweise über lange Zeiträume beibehalten hat. Stellvertretend für die 87 Objekte sei der Avalokiteshvara („der gnädig herabblickende Herr") erwähnt. Dieser Bodhi-sattva des Mitleids („Erleuchtungswesen", das in den Geburtslegen den, den Ja takas, als frühere Daseinsform des künftigen Buddha gesehen wird) wird heute noch als Schirmherr der buddhistischen Glaubensgemeinschaft in Tibet verehrt und verkörpert sich im Dalai-Lama.

Noch während die Ausstellung läuft, wird die neue Direktorin des Museums, Clara B. Wilpert, ihr Amt antreten. Sie wird in ein Haus kommen, das dringender Sanierungsarbeiten bedarf. So fehlen Klimatisierungsanlagen in Schauräumen und Depots völlig, das Museum leidet an extremer Platznot, da im zweiten Geschoß des Gebäudes das Kunsthistorische Museum einen Teil seiner Sammlungen untergebracht hat, auch ist viel zu wenig technisches Personal vorhanden und bisher ist keine EDV-Anlage installiert.

Unbefriedigend sind auch die publikumsfeindlichen Öffnungszeiten sowie die zurückhaltende Öffentlichkeitsarbeit: Wer außer den Fachleuten weiß schon, daß

das Völkerkundemu um in Wien zu den reichh tigsten seiner Art gehört und d legendäre Sammlungen zu s nem Bestand zählen? Das sind i ter anderem die „Altmexika sehen Kostbarkeiten", die unre telbar nach der spanischen Erol rung Mexikos 1519 gesamm und bald darauf nach Österrei gebracht worden waren. Das die Sammlung von James Co die 1806 im Auftrag von Kai Franz I. in London erworb wurde, sowie die Sammlung r Objekten brasilianischer Indlai von Johann Natterer aus den Ja ren 1817 bis 1825 und die Asie Sammlung von Karl Alexanc Freiherr von Hügel, welche i der Zeit 1830 bis 1836 stami Bedeutsam sind auch die Objek die anläßlich der Erdumsegelu der k. u. k. Fregatte „Novara" den Jahren 1857 bis 1859 gesaj melt wurden. Wichtig wäre au die Erweiterung des Depon raums. Da Kultur ein dynar scher Prozeß ist, müssen ( Sammlungen rasch wachsen, w man in zwanzig Jahren auch r ansatzweise die Jetztzeit doi mentieren.

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