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Strahlendes Dunkel
Ein Meer prächtiger Walmdächer über Türmen, Toren, Hallen und Palästen, verzierte Keramikziegel und Firstschmuck mit magischen Symbolen, jeder Bau für sich ein Meisterwerk, Höfe und Gärten mit künstlichen Felsanlagen, malerischen Pavillons, uralten Fichten und Zypressen, eine harmonische Einheit von Natur und Architektur, auf dem Weg über Marmorbrücken hinauf zu balustradenumrahmten Marmorterrassen, vorbei an bronzenen Löwen, Schildkröten, Kranichen und Elefanten, zierliches Balkenwerk auf schlanken Säulen, reiche Kassettendecken und kunstvolles Gitterwerk hinter vergoldeten Türen, eingerahmt von Parks und mächtigen purpurroten Mauern, Juwel und Schatzkammer in einem: Diese frischen und unmittelbaren Eindrücke von der Verbotenen Stadt, vom Kaiserpalast in Peking (Beijing) vor Augen, seit jeher ein Objekt menschlicher Neugierde und Phantasie, fünf Jahrhunderte lang Herz und Zentrum Chinas, machen jetzt einen Besuch im Wiener Museum für Völkerkunde zum besonderen Vergnügen.
Das Palastmuseum Peking — heuer 60 Jahre alt — stellt hier „Schätze aus der Verbotenen Stadt“ aus, über 120 der mehr als 900.000 Kostbarkeiten, die das Museum sein eigen nennt. Wenn man noch bedenkt, daß zudem große Teile der kaiserlichen Kunstschätze von Tschiang Kai-schek nach 1949 nach Taiwan gebracht wurden, Taibei hat ein neues „Palastmuseum“, ahnt man um den Glanz des alten Reiches der Mitte.
Dessen Zeiten, im neuen China „das dunkle Gestern“, werden bei dieser Fernostreise der Augen zum strahlenden Dunkel.
Chinas Kaiser, zwischen Irdischem und Ewigem, Sohn des Himmels genannt, Richter ebenso wie Militärführer, Literat und Künstler zumeist ebenso wie Musiker und Sammler: am Beispiel der Mandschu-Kaiser, der fremden Qing-Dynastie, die von 1644 bis 1911 regierte, an deren Beginn eine neue Blütezeit für China stand, wird das Leben im und um den Kaiserpalast, die Vielfalt und Pracht kaiserlicher Repräsentation anschaulich.
Zwei Herrscher aus dem Mandschurenstamm ragen da besonders heraus: Kangxi (1662 bis 1722) und sein Enkel Qianlong (1736 bis 1795).
Kangxi etwa unternahm zur Festigung seiner Macht zahlreiche Reisen, sechs davon in den Süden Chinas. Jene des Jahres 1689 wurde auf zwölf seidenen Bildrollen festgehalten, ein monumentales Werk, wie man in der Weltkunst seinesgleichen sucht. Die Serie muß eine Länge von 230 Metern umfaßt haben, heute sind es noch insgesamt 177,95 Meter, noch neun auf Seide gemalte Handrollen. Drei davon — die erste, neunte und zwölfte - sind in Wien zu sehen und sicherlich ein Höhepunkt der Ausstellung.
Dem ältesten Kunstschatz, entstanden Ende des dritten Jahrtausends vor Christus, einem röhrenförmigen Jadeobjekt,- billigt man moderne Form zu und nicht späte Steinzeit. Doch das fasziniert an den Kostbarkeiten aus Jade, Bronze und Porzellan: Sie sind von unnachahmlicher und zeitloser Schönheit, robust und doch zerbrechlich zart anzusehen.
Das gilt ebenso für das wohl wertvollste Ausstellungsstück, einer 72 Zentimeter hohen Stupa aus der Qianlong-Zeit, ein edelsteinbesetztes Kultkunstwerk aus massivem Gold. „Vom Kaiser geschaffen zum Lobe des Buddhas des unendlichen Lebens“, ließ der Kangxi-Enkel schreiben.
Apropos schreiben: Es heißt nicht die Meisterwerke führender chinesischer Malschulen geringschätzen, vor allem auch nicht die Kunst, Landschafts- und Genremalerei in einem einzigen Bild harmonisch zu verbinden, wenn man dem Schreiben der chinesischen Schriftzeichen als Kunstform, der Kalligraphie, besondere Aufmerksamkeit zuwendet. Geachtet als die Höchste aller Künste, begehrt vor allem auch als kaiserliches Sammelgut.
Wirklich ein Glück, daß die „Schätze der Verbotenen Stadt“ nach Berlin, wo sie spektakulären Zuspruch erlebt haben, doch noch nach Wien gekommen sind.- —
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