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Jadeprinzessin und fliegendes Pferd
Drei Monate Vorarbeiten im Museum für angewandte Kunst... Im Rekordtempo fielen Mauern, wurden neue Böden gelegt, Beleuchtungsanlagen und Sicherheitsapparaturen neu eingebaut. Rund vier Millionen Sehilling ließ man sich die Sensation kosten, diese „Ausstellung der siebziger Jahre“, die wichtigste Und kostbärste Schau, die zur Zeit überhaupt in einem Museum zu sehen ist, nach Wien zu bekommen. Von 23. Februar bis 20. April sind nun die „Archäologischen Funde der Volksrepublik China“ im Museum für angewandte Kunst zu sehen, nachdem in Paris bereits 370.000 und in London mehr als eine halbe Million sich vor den unschätzbaren Kostbarkeiten gedrängt haben (Versicherungswert: rund 2 Milliarden Schilling). Und auch für die Sommermonate steht bereits die Reiseroute fest: Stockholm und Montreal sind die nächsten Stationen, die Bundesrepublik, vor allem München, hat sich vergeblich bemüht.
Drei Monate Vorarbeiten im Museum für angewandte Kunst... Im Rekordtempo fielen Mauern, wurden neue Böden gelegt, Beleuchtungsanlagen und Sicherheitsapparaturen neu eingebaut. Rund vier Millionen Sehilling ließ man sich die Sensation kosten, diese „Ausstellung der siebziger Jahre“, die wichtigste Und kostbärste Schau, die zur Zeit überhaupt in einem Museum zu sehen ist, nach Wien zu bekommen. Von 23. Februar bis 20. April sind nun die „Archäologischen Funde der Volksrepublik China“ im Museum für angewandte Kunst zu sehen, nachdem in Paris bereits 370.000 und in London mehr als eine halbe Million sich vor den unschätzbaren Kostbarkeiten gedrängt haben (Versicherungswert: rund 2 Milliarden Schilling). Und auch für die Sommermonate steht bereits die Reiseroute fest: Stockholm und Montreal sind die nächsten Stationen, die Bundesrepublik, vor allem München, hat sich vergeblich bemüht.
Seit Ende Jänner sind die 385 Exponate, 12 Tonnen Kunstschätze, verpackt in 70 Spezialkisten, aus der Londoner Royal Aeademy herbei-transportiert, am Stufoenring deponiert und in den letzten Tagen aufgestellt worden: „Die Vergangenheit möge der Gegenwart dienen“, wählte China als Motto für diese größte Schau chinesischer Kultur. Und in 35 Gruppen zeigt man die Entwicklung menschlichen Gestaltungswillens, von den Produkten der „Urgesellschaft“ (etwa 600.000 vor Christi bis 2000 vor Ohriisti), über die Perioden der „Sklavenhaltergesellschaft“ (2100 bis 475 vor Christi) und der Feudalgesellschaft (bis 1840) bis zum Ende des 14. Jahrhunderts.
Ethnologische, örtliche und zeitlich-dynastische Gesichtspunkte dienten dieser Ausstellung als Glie-derungsifaktoren, die ab 1948 in zwanzigjähriger Grabungsarbeit chinesischer Archäologen geborgenen Werke zu einer Dokumentation zusammenstellen ; kuinstihistorisch-stilistische und formaldekorative Charakteristika mögen weniger dabei ausschlaggebend gewesen sein, zumal es sich um mehr als nur eine „Kunstausstellung“ handelt.
Die chinesische Version marxistischer Denkmodelle ist natürlich auch hier durchzuspüren. Klassentheoretische Überlegungen sind nirgends ganz von der Hand zu weisen. Um so weniger als zum Beispiel wichtige Tonfunde der Frühzeit, Knochenreste, Steinäxte, Pischhaken gezeigt werden; so auch der Schädel des Urmenschen von Lan-t'ien (etwa 600.000 v. Chr.), des Peking-Menschen, des Tingtsung und Tzuyang-Menschen der mittleren Steinzeit, die vor allem für die Theorie der menschlichen Entwicklungsgeschichte eine entscheidende Bedeutung bekommen haben: Chinesische Anthropologen wollen jedenfalls gerade in diesen Funden eine Bestätigung der marxistischen Theorie von der Rolle der Arbeit im Wandlungsprozeß vom Affen zum Menschen sehen.
Die künstlerischen Sensationen dieser Ausstellung, die Objekte, die auch den Laien faszinieren werden,sind natürlich erst späteren Entstehungsdatums: Für das künstlerische Wollen entscheidend wird der Uber-gang von der Primitivgesellschaft zur Sklavenhaltergesellschaft, der ersten Klassengesellschaft der Erde. Dokumente dieser Periode (16. Jahrhundert bis 475 v. Chr.) sind immerhin schön geformte Tonwaren und Bronzen. Geometrische und ve-getabile Bemalungen erinnern den „europäisch“ geschulten Betrachter gelegentlich sogar an vorgriechische Vasenfunde. Sorgfältige Ausführung der Dekors und der Formung bestätigt bereits in der frühesten Phase eine entwickelte Kultur, wenngleich Sklaven noch oft in großen Gruppen mit ihren Herren und den Ritual-beigaben begraben werden.
Ab 475 v. Chr. datiert in China die Feudalgesellschaft (bis 1840): eine Zeit, reich an Kunstdokumenten, die nach 1948 in den verschiedenen Provinzen gefunden wurden. Auf dieser gesellschaftlichen Entwicklungsstufe ist die höchste künstlerische Entwicklungsstufe erreicht. In den 20 teilweise sogar parallel bestehenden Dynastien bis 1644 werden all die Meisterwerke geschaffen, die nun Sensation dieser Ausstellung sind: Prunkstücke sind da etwa das Leichenkleid der Prinzessin Tou Wan und ihres Gatten Liu Shengs von Ching-Shan (westliche Han-Dyna-stie); 1968 wurden die Gräber beider in der Provinz Hopei gefunden, ein 3000-Kubikmeter-Raum, hineingehauen in riesige Felsen. Uber 2800 Gold-, Silber- und Bronzegegenstände wurden gefunden, so auch beider Jade-Gold-Grafokleider, Panzer aus mehr als zweitausend mit Golddraht aneinandergeketteter Ja-deplättchen von raffiniertem Farbenspiel zwischen weiß und grün... Von nie gesehener Schönheit Sind auch die Pferdegmuppen und Kampfwagen aus dem Grabmal eines Generals der Han-Dynastie in Wuwe-Kansu (2. Jahrhundert nach Christus), insgesamt etwa 90 Figuren, die noch in militärischer Formation aufgestellt waren, als man sie aus dem Grab barg; darunter auch das berühmte „fliegende Pferd“ aus Kansu... Erstaunlich aber auch die kostbaren Goldbronzen der westlichen und östlichen Han-Dynastien, die zierlichen Porzellanarbeiten, die bunt glasierten Keramikfiguren, Silberschätze, Brokatreste, die die Harmonie dieser Kunst, die technische Perfektion der Künstler und Handwerker beweist.
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