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Verschlüsselte Botschaft

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Längst schon hätte man mit nahezu mathematischer Genauigkeit voraussagen können, wann Meister Ernst Krenek sich mit elektronischen Klängen und mit den Ausdrucksmöglichkeiten des Bildschirms befassen werde.

Krenek, immer um Jahre zu früh, war es, der mit „Jonny spielt auf“ 1925 die erste ernstzunehmende Jazzoper schuf und damit einen Sturmangriff aller zeitgenössischen Kunstbanausen auf die Wiener Staatsoper heraufbeschwor, sintemalen man damals wie stets weder fähig noch willens war, eine wirklich gute Musik, weil sie neu war, auch nur anzuhören und sintemalen man zu denkfaul war, die Botschaft des sehr gescheiten Textes zu entschlüsseln: diesen unbestechlich grimmigen Fingerzeig auf die bereits nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte Amerikanisierung Europas.

Krenek war es, der (wieder um Jahre zu früh) mit dem „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“ Schubert auf der Ebene vornehmster dichterischer Ironie ins moderne Bewußtsein hob, was hierzulande wieder deshalb keineswegs honoriert wurde, weil man sich noch 1929 nicht österreichisch auszudrücken hatte, sondern deutsch.

Krenek war es, der 1933, als man sich bereits kleinösterreichisch zu bekennen hatte, die Weltvision seines „Karl V.“ zu Papier brachte und diese hohe Dichtung vom Glanz, vom Opfermut und von der Vergeblichkeit aller Staatskunst musikalisch in die adäquate strenge Gesetzmäßigkeit d*s, Zw£HÜa)isystems goß. Zu früh auch 4iee~A)nd so blieb die österreichischeste aller Op^rü den verengten Horizonten des neuerstandenen Österreich fremd.

Wenn sie ehrlich war, mußte die kleine Gemeinde der Treuen Kreneks schließlich zugeben, daß sie den späteren Wegen des Meisters durch die Karstflächen der seriellen und der aleatorischen Musik zwar mit dem Kopf, kaum aber mit dem Ohr zu folgen imstande war. Und nicht anders mag es ihr auch bei der Uraufführung der „Flaschenpost vom Paradies“ in FS 1 ergangen sein, diesem Märchen für Tänzer, Elektronik, Sprechstimmen, Schlagzeug, optische Effekte, samt Postludium auf dem Klavier. Die Freude des ewig jugendlichen Experimentators Krenek am Spiel mit Knöpfen und Schalthebeln zwecks Klangerzeugung war nicht zu überhören, nicht zu überhören aber auch, daß dabei nicht der übliche hektisch langweilige Brei herauskam, sondern daß die erzielten Klänge und Geräv sehe bei aller (weiß der Himmel!) Unzulänglichkeit des Instrumentes eben doch die Pranke des Löwen verrieten.

Auch die kabarettistischen Wendungen fehlten nicht, die alle Werke Kreneks, „Karl V.“ ausgenommen, an die Grenze des zirkushaft Trivialen rücken und vielleicht gerade deshalb einer merkwürdigen Reizsteigerung dienen. Wie anders doch als kabarettistisch ließe sich denn auch der Einfall bezeichnen, daß ein Patemoster(aufzug) unter Umständen genügt, will man höllischen Bereichen entfliehen.

Kreneks Opusculum entstand beim „IMDT-Workshop 1973“. Dazu die Frage eines Kurzhaarigen am Rande: Warum muß etwas, das es immer schon gab, das gemeinsame Experimentieren einer Gruppe von Künstlern, nunmehr mit dem wichtigtuerischen Wort „Workshop“ belegt werden, da es doch keinerlei Publikum gibt, das diese Art von „Arbeit“ „einkauft“ —? Die Erfolgsgeneration ist ein Rätsel.

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