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Musicaviva: Ernst Krenek am Dirigentenpult

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Das kompositorische Werk Ernst Kreneks (Jahrgang 1900) umfaßt eine fast unübersehbare Fülle von Formen und geistigen Inhalten. Kann die Zahl der Werke — über hundert! — als Zeichen imponierender Produktionskraft gelten, so bezeugt die Varietät der Stile und Formen eine ungewöhnliche geistige Regsamkeit, Wendigkeit und Vitalität. Fast alle Wandlungen und Erschütterungen des Lebensgefühls der Generation zwischen den beiden großen Kriegen sind am Werk Kreneks wie an einem Seismographen abzulesen. Kein Wunder daher, daß auch die Zwölftontechnik, der er sich seit der Oper „Karl V." zuwandte, sein Schaffen beeinflußt hat Die Werke aus dieser vorletzten Phase lassen Persönlichkeit und Eigenart Kreneks am wenigsten erkennen, und wir glauben nicht, daß sie einmal zu seinen besten zählen werden. Schon vor zwei Jahren sprachen wir die Hoffnung aus, daß Krenek sich von diesem Zwang befreien und seiner musikantischen Natur folgen möge. In seinem — vorläufig — letzten Opus, einem Klavierkonzert aus dem Jahr 1950, ist das geschehen. Wir hörten es unter der Leitung des Komponisten mit Miriam Molin als Solistin, die von den Wiener Symphonikern begleitet wurde. Das dreisätzige, etwa eine halbe Stunde dauernde Werk, ist reich an thematischen und koloristischen Einfällen. Man hat von Satz zu Satz den Eindruck zunehmender Befreiung und Auflockerung, und im Schlußallegro begegnen wir einem Thema — rhythmisch, keck und prägnant —, das seinem Schöpfer Ehre macht und an Kreneks beste Zeiten erinnert. — Eine Reminiszenz aus dem Jahr 1923 war die „S y m- phonische Musik für neun Soli- instrumente'. Die beiden ziemlich ausgedehnten Sätze zeigen gute und dichte kon- trapunktische Arbeit, entbehren aber für unser heutiges Gefühl einer tragfähigen harmonischen Basis (wie manche Werke Hindemiths aus der gleichen Zeit!). Als Komponist und als Dirigent präsentierte sich Ernst Krenek im 3. Konzert des Zyklus „Musica viva“. Damit wurde ein alter Wunsch Kreneks erfüllt. Doch sollte es nicht bei diesem flüchtigen Besuch in der Heimatstadt bleiben! Ihn als Leiter einer Meisterklasse für die Akademie zu gewinnen, wäre eine dankenswerte Aufgabe für die Verantwortlichen und hiezu Befugten. — Das Konzert wurde mit'einer Wiedergabe der Schlagwerksonate von B a r 16 k durch Hans Kann und Alfred Brendel eingeleitet. Das faszinierende Werk übte auch in dieser — nicht immer ganz perfekten — Interpretation seine Wirkung, so daß der letzte Satz wiederholt werden mußte.

Mit einem Richard-Wagner-Konzert beendete Herbert von Karajan seinen Zyklus im Großen Musikvereinssaal. Den ersten Teil bildete eine vollständige Wiedergabe des 1. Aktes der „Walküre“ mit Leonie Ryzanek, Günther Treptow und Lud- vwig Hofmannj im zweiten Teil sang Christi Goltz — nach dem Trauermarsch aus der „Götterdämmerung“ — den Schlußmonolog der Brünhilde: eine großartige, von einem hellwachen Kunstverstand gelenkte Leistung, die beim Publikum Begeisterung auslöste. Karajan bezeugte seine Verbundenheit mit der Kunst- und Gefühlssphäre des 19. Jahrhunderts überzeugend im Vorspiel zum 1. Akt der „Walküre“ und im großen Trauermarsch sowie in zahlreichen Details und Akzenten, die man selten mit solcher Intensität gehört hat. Hohes Lob auch den Wiener Symphonikern, die die nicht alltägliche Aufgabe klanggewaltig und präzise lösten.

Auch das Tonkünstlerorchester veranstaltete ein Richard-Wagner- K o n z e r t unter der Leitung von Felix Prohaska. Hildegard Rößl-Majdan und Otto Wiener waren die Solisten (Wesendonck- Lieder, Wahnmonolog und Wotans Abschied). Im Siegfried-Idyll und in der .Rheinfahrt zeigte das Orchester seinen guten Standard. Als Einleitung gab es eine Kuriosität: die Ouvertüre zur Jugendoper „Das Liebesverbot", ein gesten- und phrasenreiches Orchesterstück im Stil Rossini-Meyerbeer, bei dessen Anhören man sich daran erinnert, daß Wagner eines Tages „beschloß, Musiker zu werden". Und er ist es wirklich geworden…

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