6923536-1982_02_09.jpg
Digital In Arbeit

Weberns Tragik

Werbung
Werbung
Werbung

Von der Komponistentrias Schönberg, Berg und Webern galt und gilt Anton von Webern als der sprödeste und eigenwilligste,, als derjenige, der sich am schwersten durchgesetzt hat. Wie schwer dieser Kampf gegen künstlerische Widerstände und Verständnislosigkeit war und wie tragisch Webern immer wieder scheiterte, bis er schließlich knapp nach Kriegsende einen brutalen Tod fand, davon gibt die beispielhafte Biographie Auskunft, die Hans Moldenhauer mit seiner Frau Rosaleen erarbeitet hat.

Der 1883 geborene Anton von Webern entstammt einer seit dem 16. Jahrhundert adeligen Kärntner Familie. Sein entscheidendes Bildungserlebnis war die Begegnung mit Arnold Schönberg, dessen Schüler und Jünger er wurde. Zur Komposition mit zwölf Tönen ist er fast gleichzeitig mit seinem Meister gelangt und wurde zum unerbittlichen Siegelbewahrer der neuen Gesetze.

Schon von Beginn an war die äußerste Konzentration, die fast stenographische Kürze ein Merkmal seiner Werke. Schönberg war — darin ähnlich wie Freud — ein

Meister, der auf geradezu alttestamentarische Weise neben sich keine anderen Götter duldete. Wie unerbittlich er sein konnte, was es da an Übelnehmen und Kränkungen gab, davon kann man hier einiges nachlesen. Webern aber war der bedingungslos Ergebene, der Adlatus, der auch zu Zeiten, da er selbst kaum Geld verdiente, für Schönberg Klavierauszüge und Transkriptionen anfertigte und im Eifer nie wankte.

Die äußeren Lebensumstände waren bescheiden bis ärmlich, zumal Webern ein wahrer Künstler in der Selbstverhinderung war. Als Theaterkapellmeister dirigierte er zwischen Stettin und

Prag die banalsten Operetten, in der Hoffnung, irgendeinmal ans große Opernrepertoire heranzukommen.

Sein eigenes Schaffen wuchs im Schatten dieser Operettenfron, auf ein kontinuierliches Einkommen konnte der Familienvater Webern bis über sein 30. Lebensjahr hinaus nicht rechnen. Daß er ein großer Dirigent, insbesondere ein bahnbrechender Mahler-Interpret war, trat erst zutage, als er in Wien die Arbeitersymphoniekonzerte und deren Chor, den Singverein, leitete.

Dabei war er nie Sozialdemokrat, war überhaupt politisch so zurückhaltend, daß er selbst dem nationalsozialistischen Regime, das ihn als „entartet" mit Bann belegte und alle seine Freunde aus dem Land vertrieb, einen sehr naiven Vertrauensvorschuß einräumte in der Hoffnung, irgendeinmal werde das Dritte Reich sich mit der Zwölftonmusik versöhnen.

In der Isolation des Dritten Reichs wurde er höchstens noch in der Schweiz gespielt, hatte kaum Schüler, lebte aufs dürftigste, arbeitete aber unermüdlich an seinen Kompositionen, die gerade in diesen Notjahren ihre äußerste Reife und Konzentration erreichten. Davon wußte nur eine Handvoll von Freunden. Die große Webern-Entdeckung kam erst nach 1945, als eine junge Komponistengeneration zuerst in Frankreich, dann in Deutschland gerade in seinem esoterischen Werk die entscheidende Anregung fand. Er hat es nicht mehr erlebt.

Ein Leben voller Mißgeschicke fand 1945 ein brutales und sinnloses Ende. Wieso er in Mittersül von einem amerikanischen Soldaten erschossen wurde, darüber zirkulierten zunächst skurrile Gerüchte. Erst Moldenhauer konnte den Hergang feststellen. Weberns Schwiegersohn war in eine Schwarzhandelsaffaire verwik-kelt. Bei dessen Festnahme hat ein die Polizeiaktion dirigierender amerikanischer Koch wild um sich geschossen und dabei den

Ahnungslosen durch drei Schüsse hingestreckt. Daß der Soldat je zur Rechenschaft gezogen worden wäre, davon hat man nie gehört.

Webern hat im Laufe seines an Hindernissen reichen Lebens öfters schwere Erkrankungen überstanden, die man heute leicht als psychosomatisch diagnostizieren kann. An Selbstzerstörungstendenzen hat es nicht gefehlt, auch nicht in den Tagen, da er sich nicht zur Emigration entschließen konnte.

Moldenhauer hat imponierende Pionierarbeit geleistet, indem er die Mechanismen bloßgelegt hat, die Webern in immer neue schwierige Situationen getrieben haben. Das fundamentale biographische Werk wurde zuerst englisch geschrieben, die deutsche Ubersetzung ist zuweilen ledern und dort, wo es um österreichisches geht, oft hilflos.

Dennoch ist dieses, auch in der Werkanalyse ungemein gründliche Buch gut lesbar und spannend bis zum unerbittlichen Ende. Das Wirken eines Bahnbrechers der Neuen Musik zieht als eine Tragödie am Leser vorbei.

ANTON VON WEBERN. Von Hans und Rosaleen Moldenhauer. Artemis-Verlag, Zürich 1981. 718 Seiten, öS 600.60.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung