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Anton von Webern — neuentdeckt

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Di« alte Streitfrage, ob das Neue, des außerhalb der Tradition Liegende, festspielwürdig sei, wird diskutiert werden, solange ei die Salzburger Festspiele gibt. Selbst dann noch, wenn das Neue gar nicht mehr neu ist und seinerseits schon ein« Tradition begründet hat, werden «ich darüber jene Gemüter erhitzen, für di« die Musik mit Richard Strauss aufhört. Immerhin ist den Fürsprechern der „Moderne“, wia ei etwa der verewigte Eberhard Preußner war, heuer ein bemerkenswerter Sieg gelungen. Der zwanzigste Todestag Anton von Webern« wurde mit drei Gedenkkonzerttn würdig begangen, wobei der Festspielleitung ihr kühner Entschluß dadurch erleichtert wurde, daß sie sich auf einen Ausspruch Igor Strawinskys berufen konnte: „Der 18. September 1945, Anton Webern« Todestag, sollt« ein Trauertag für jeden aufnahmefähigen Musiker sein.,. Zum völligen Mißerfolg in einer tauben Welt der Unwissenheit und Gleichgültigkeit verurteilt, blieb er unerschütterlich dabei, seine Diamanten zu schleifen, seine blitzenden Diamanten, von deren Minen er eine so vollkommene Kenntnis hatte.“

Anton von Webern, 1883 in Wien geboren, studierte , bei Arnold Schönberg und promovierte all Schüler Guido Adlers an der Wiener Universität. Uber die Tonsprache der Spätromantik gelangt er in plötzlicher Wendung zur beziehungslosen Atonalität und schließlich zur Zwölftonmusik, in deren Verfeinerung seine musikgeschichtliche Bedeutung Hegt. Ohne sich den Gesetzen der Reihenkomposition sklavisch zu unterwerfen, schafft er nach dem von Josef Matthias Hauer und Schönberg entwickelten System der Dodekaphonle und gewinnt ihm in einer Art polntillistlscher Technik kostbare Gebilde lyrischen oder aphoristischen Gehaltes ab. Man könnte ihn den Impressionisten der Zwölftonmusik nennen. Das letzte und der Höhepunkt der Gedächtniskonzerte war der Abend des amerikanischen Lasalle-Quartettes im Mozarteum. In diesen Kammermusikwerken stellt der Komponist die Ausführenden vor Aufgaben von unerhörter Schwierigkellt. Die vier Herren aus Ctacinnaü lösten sie so selbstverständlich und leicht, daß man buchstäblich in Verlegenheit ist, wie man dieser an Zauberei grenzenden Leistung gerecht werden solL Welch ein Reichtum an Klangwirkungen und neuen Nuancen bei einer Streichquartettbesetzung, dieiai mystisch« Piano und di« unüberbietbar« Genauigkeit! Man muß bekennen, daß man ähnlich«» kaum je gehört hat

Nach dem einsätzigen Streich. Quartett au* dem Jahr» 1908 ('europäische Erstaufführung), dessen expressiver Stil noch dt« Näh« der spätromantischen Gefühlswelt verrät, führt« das Streichtrio op. 20 (1927) in dl« Bereich« der Zwölftonmusik, und sechs Bagatellen aus dem Jahre 1913, anmutig« Beispiel« atonaler Gestaltung, wurden so erlesen und geistvoll gespielt, daß das Publikum eine Wiederholung erzwang. Das Konzert schloß mit dem Streichquartett op. 28 (1938) und den Fünf Quartettsätzen op. 8 (1909). Es war ein Abend moderner Musik, der bei den Zuhörern einmütige Begeisterung auslöste. Zwanzig Jahre ist Webern tot, aber seine Diamanten funkeln in ungetrübtem Feuer, Vielleicht ist dies auch der richtige Augenblick, einmal darauf hinzuweisen, daß im dodekaphonischen Schaffen österreichischer Meister noch manche Schätze zu entdecken wären. Ich denke etwa an das dem Umfang nach schmale, aber von einem reinen Geist durchleuchtete Werk des vor mehr als Jahresfrist verstorbenen Othmar Steinbauer, dessen Scheu vor der Öffentlichkeit wohl daran schuld ist, daß es nur seinen Schülern und Freunden bekannt wurde. Auch das Werk Hauers, nur wenigen Eingeweihten bekannt, harrt größtenteils »einer Entdeckung im Konzertsaal!

Die Konzerte der großen Feat-spieldirlgenten brachten Programme, die nun einmal zum eisernen Salzburger Bestand gehören. Karl Böhm mit der herrlich musizierenden Dresdener Staatskapelle bot im Neuen Festspielhaus Schuberts „Große C-Dur“ und die „Unvollendete“ und der greise Carl Schuricht im Mozarteum die Mozart-Symphonien D-Dur, KV 181, g-Moll, KV 550, und C-Dur (Linzer), KV 425, wobei sich die Wiener Philharmoniker wieder einmal als di« Mozartspieler katexoehen erwiesen.

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