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Der Tadel des „Osservatore Romano“

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Bei einer solchen Sachlage wird es spannend, die weitere Entwicklung des „Movimento“ zu beobachten. Der erste Schlag, den die Bewegung der DC versetzt hat, bestand in einer Umfrage der Agentur ASSI bei den 25.65 3 Pfarrern Italiens über ihre Meinung bezüglich der DC und ihrer „Linksöffnung“. Die Ergebnisse sind am 9. Jänner veröffentlicht worden und haben eine kleine Sensation hervorgerufen. Fast 53 von hundert der Befragten hatten geantwortet, also eine verhältnismäßig große Anzahl, wenn man bedenkt, wie ungern und lässig die Pfarrer auf Fragebogen auch der vorgesetzten kirchlichen Behörden zu antworten pflegen. Von den eingelaufenen 13.594 Antworten erklärten sich über 8000 entschieden gegen die derzeitige Formel der DC und gegen diese selbst, 3282 waren für die Politik der linken Mitte und gegen eine neue unabhängige Bewegung der Katholiken. Angesichts der notorischen Beziehungen der ASSI zu einigen kirchlichen Würdenträgern hatten nur zwei Bischöfe den Mut aufgebracht, ihren Pfarrern Air Reanfwnrtung zu untersagen, der Bischor von Ischia, Dino Tommasini, und der Weihbischof von Ostia, Vito Mancini.

Aber am 12. Jänner erfolgte der Gegenschlag: Das vatikanische Organ, „Osservatore Romano“, brachte an diesem Tag auf der ersten Seite an hervorragender Stelle eine sehr heftige Reaktion gegen Ugo Sola, seine Bewegung und die von ihr gestartete Umfrage. Das Blatt sprach von den „gewohnten unruhigen Gegenströmungen“, sprach der Bewegung das Recht ab, sich katholisch zu nennen, verwies auf die heute mehr denn je bestehende Notwendigkeit der Einheit aller Katholiken, bedauerte die Parteilichkeit der Umfrage, die nur geeignet sei, Verwirrung zu stiften, und tadelte die Pfarrer, die. ohne sich der Zustimmung ihrer Bischöfe zu versichern, geantwortet hatten. Eine zweite „Note“ des vatikanischen Blattes wenige Tage später klang etwas milder, bekräftigte jedoch die Notwendigkeit, daß die italienischen Katholiken bei den kommenden Wahlen ihre Einheit bewahren, mit anderen Worten, für die DC stimmen sollen. Auch bei den letzten Wahlen im Jahre 195 8 hat es eine Dissidenz der katholischen Rechten gegeben, und auch damals ist am Vortage des Urnenganges eine entschiedene Mahnung der Kurie erfolgt.

Für die DC bedeutet das Erstehen ler „Politischen Bewegung italieni-icher Christen“ wahrscheinlich keine unsthafte Gefahr, und diese wird ver-nutlich nach den Wahlen wieder verschwinden wie andere pittoreske Grapsen, etwa wie die Beefsteak-Partei des [ahres 1953, die jedem Italiener ein Beefsteak am Sonntag versprochen iatte. Aber auch der Verlust einiger zehntausend Stimmen kann der DC anverhältnismäßigen Schaden zufügen, ivie 1953, als die Gründung einer .Nationaldemokratischen Allianz“ die DC um die absolute Mehrheit brachte, »bwohl sie selbst nicht einen einzigen Abgeordneten ins Parlament zu schik-ken vermochte. Die Existenz der Sola-Bewegung und die Tatsache, daß sie sich auf die Sympathien und die Unterstützung einiger Stellen bei der römischen Kurie berufen darf, während die zumindest offiziöse Stimme der kirchlichen Zentrale eine klare Verurteilung ausspricht, zeigt gewisse Spannungen an, die zwischen den Führungsorganen der Kurie bestehen, die sich auf dem Konzil bemerkbar gemacht haben und die sich nachträglich auf die Stellung der Katholiken im politischen Leben Italiens auswirken kann.

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