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Ferragosta gerettet
Am 8. August, genau sechs Tage, nachdem sich auch die letzten Familien mit ihrem Fiat 500 bis zum Lamborghini auf den verstopften italienischen Autostradas in den traditionellen Ferragostaurlaub begeben hatten, fand in Rom eine für diese Zeit ungewöhnliche Aktivität ein Ende. Nach einer einmonatigen Regierungskrise, ausgelöst durch die Spaltung der italienischen Sozialisten, wurde wieder einmal eine Minderheitsregierung der Demo-cristiani angelobt
Es gibt allerdings nur wenige, die dem von Staatspräsident Sarragat angelobten DC-Minderheitskabinett unter Ministerpräsident Rumor eine lange Lebensdauer zuerkennen. Eine Einigung gelang nur innerhalb der DC. So sind im neuen Kabinett praktisch alle „Maioranza“- und „Minoranza“-Gruppen der Demo-cristiani vertreten. Entsprechend umfangreich ist auch die Ministerliste, die neben dem Ministerpräsidenten und 19 Ressortministern noch 5 Minister ohne Portefeuille umfaßt. An diesen innerparteilichen Ausrichtungen auf eine zumindest nach •außen einheitliche Linie soll neben dem Ministerpräsidenten und Parteivorsiteenden Mariane Rumor vor allem der Staatspräsident und Ex-außenminist er Fanfani größten Anteil haben.
Größter Bedeutung kommt dabei der Tatsache zu, daß Rumors Hauptgegenspieler, Aldo Moro, der eher zu Neuwahlen denn zu einer Minderheitsregierung tendierte, nunmehr
doch das Außenministerium übernommen hat.
Alle Richtungen vertreten
.Aber was sagt das schon“, meint man in römischen, eher für die Zukunft pessimistisch eingestellten politischen Kreisen. Die DC, plötzlich vor die Alternativen gestellt:
• die Regierungskrise über den Sommer zu prolongieren,
• Neuwahlen als unabdingbar für den Herbst anzukündigen
• oder zumindest auf Zeit die Alleinverantwortung auf sich zu nehmen,
wählte eben das letztere und damit geringste Übel.
Denn der Koalitionsfan Rumor hofft noch immer, daß im Herbst zumindest die PSI oder die Republikaner zu einer Mitarbeit in der Regierung wieder bereit sein könnten. Unter diesem Druck und unter der handgreiflichen Tatsache, nicht länger in sommerlicher Gluthitze in Rom verbleiben zu müssen, wurden die innerparteilichen Auseinandersetzungen vergessen und ein Kabinett mit der Regierungsarbedt betraut, in dem es nun kaum eine DC-Minderheit gibt, die keinen Minister stellt
9 So stellt die „Maioranza“ mit Rumor den Ministerpräsidenten und acht Minister.
• Die Farrfani-Gruppe hat mit For-lani (ohne Portefeuille), Bosco (Finanz), Natali (öffentliche Arbeiten) und Malfatti (Staatliche Beteiligungen) vier Ministerien.
• Die Gruppe um Moro mit diesem als Außenminister und Gui (Verteidigung) und Scaligia (Tourismus) drei Ministerien.
• Die übrigen Ministerien verteilen sih zu drei auf die Gruppe um Vit-torino Collombo, drei auf den linken Flügel der Partei, zwei auf die Gruppe um Taviani und ein Ministerium auf den liberalen Flügel der DC.
Nur die „Neue Linke“ um den DC-Politiker Sullo ging bei diesem Kabinett leer aus.
Druck von Links
Die momentane Krise ist beendet. Die große italienische Staatskrise aber bleibt. Denn notwendige, für den Staat wichtige Entscheidungen werden wohl auch von diesem Kabinett nicht gemeistert werden. Zu groß dürfte der Widerstand der ehemaligen Koalitionspartner der PSI und PSU und der Republikaner im Senat sein.
So erwartet man in Rom auch kaum entscheidende weitere Fortschritte in der Südtirolfrage. Denn Italiens Sozialisten dürften ihren Parteifreunden in der SPÖ nördlich der Alpen kaum in dieser Frage in den Rücken fallen und weder einer DC-Regierung in Rom noch einer ÖVP-Regierung in Wien vor Neuwahlen die Möglichkeit gewähren, gerade während einer Alleinregierungspe-riode zweier christlicher Parteien dieses dezennienalte Problem zu lösen.
In Rom ist das aber nicht die einzige Sorge. Vielmehr bedrückt die Politiker in der Ewigen Stadt die Befürchtung, daß durch die jüngsten Ereignisse in der italienischen Politik die Kommunisten weiteren Auftrieb erhielten.
Denn auch Neuwahlen würden die Forderung der Kommunistischen Partei Italiens (der sich kurzsichtig immer mehr Linksintellektuelle an-
schließen) untermauern, ein Kabinett der beiden stärksten Parteien des italienischen Stiefels, DC und Kommunisten, zu bilden. So befindet sich Italien zur Zeit eines wirtschaftlichen Aufschwungs wie nie zuvor in der Gefahr, noch weiter nach links abzugleiten. Das kann auch die neu zustande gekommene Minderhejtsregierung nicht verbergen.
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