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Thema „Volksfront“

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Die katholische Wählerschaft hat ein psychisches Trauma erlitten, und die KP-Propaganda, den kommunistischen Erfolg übertreibend, ließ ihn nicht abklingen. In nonchalanter Weise diskutierte das Zentralkomitee die möglichen Wege zur Volksfront, als ob es konkrete Aussichten für eine solche gäbe. Das Thema „Volksfront“ ist in die öffentliche Diskussion gelangt, in die in-und ausländische Presse, man weiß nicht wie, jedenfalls ohne aktuellen Anlaß, wenn man nicht einige befremdende Episoden ausreichend betrachten will: Der Führer einer DC-Faktion, Amintore Fanfani, hatte sich bei den Präsidentschaftswahlen um die kommunistischen Stimmen bemüht, allerdings auch, „zum Ausgleich“, um die neofaschistischen; im mystischen Weltver-brüderungsklima des „neuen Jerusalems“, in Florenz, scheinen auch frontistische Ideen zu gedeihen;Äußerungen einiger christlichdemokratischer Einzelgänger konnten als Bereitschaft zur Volksfront ausgelegt werden; auf Kongressen der christlichdemokratischen Jugend waren mit jugendlicher Unbekümmertheit außenpolitische Ideen laut geworden, die in Warschau mehr gefallen mögen als in Bonn.

In der KP Italiens steht der Vorschlag Amendolas, mit der Schaffung einer von den Sozialdemokraten bis zu den Kommunisten reichenden Sozialistischen Einheitspartei (48 Prozent der Wählerschaft), die weder laboristisch noch leninistisch sein würde, die politische Achse in Italien zu verschieben, dem Vorschlag Ingrao gegenüber, der, den Ratschlägen des verstorbenen Kommunistenführers Palmiro Togliatti folgend, den Hebel direkt bei der „für Reformen aufgeschlossenen, nicht reaktionären katholischen Linken“ ansetzen möchte, was die antikommunistische Sozialdemokratie zum Einlenken zwingen müßte.

Eigene Einsicht und nachdrückliche Mahnungen kirchlicher Stellen haben die Verantwortlichen in der DC veranlaßt, ohne Verzug eine weitgespannte Aktion einzuleiten, die die parteiinterne Einheit in angemessenem Umfang wieder herstellt und die katholische Wählerschaft überzeugt, daß die DC sich ihrer Funktion, Bollwerk gegen den Kommunismus zu sein, nach wie vor bewußt ist. Es gab aber auch einen direkten Zwang, raschestens eine ■ Klärung herbeizuführen: Die Linksparteien in der Regierung Moro, vor allem die Nenni-Sozialisten, wollten wissen, mit was für einer DC sie es nun zu tun hätten. Mit einer, die das Koalitionsprogramm sabotieren, die linke Mitte womöglich überhaupt zu Fall bringen möchte, oder mit einer, die zu ihrem Wort steht. Denn aus den Reden der Parteiexponenten konnte man fallweise das eine wie das andere entnehmen.

Die Resultate der Tagung des christlichdemokratischen Nationalrats haben formell zumindest alle Erwartungen übertroffen. Die Forderung nach Einigkeit ist einmütig erhoben worden, die Absichten sind die besten, die man sich nur vorstellen kann. Dennoch ist der Ausgang nicht völlig befriedigend, in der unabhängigen Presse herrscht ein gewisser Skeptizismus vor und bei den Sozialisten ist man offen unzufrieden. Warum, wo doch die Regierung Moro und ihr Programm bestätigt wurden? Die Einheit ist auf der Grundlage guter Absichten erreicht worden und weil man einer Diskussion politischer Grundprobleme ausgewichen ist. Was bisher unklar war, bleibt es vorderhand auch weiterhin. Amintore Fanfani, der sich neuerdings in einer Sphinxrolle gefällt, nicht zum Reden zu bringen ist, von dem man nicht weiß, ob er rechts oder links steht, hat auf der Tagung gar nicht das Wort ergriffen, und als ihn ein Journalist fragte, warum er nicht in die Debatte eingegriffen habe, antwortete er nur ironisch: „In welche Debatte?“ Eben. Es hatte gar keine gegeben. Die Notabein aller Gruppen und Strömungen hatten sich darauf beschränkt, mehr oder weniger feurig nach der Einheit zu rufen und zum Kampf gegen den Kommunismus aufzurufen.

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