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Mailand — Genua — Florenz

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Parteisekretär Aldo Moro hat in seinem Bericht erkennen lassen, daß er Nenni wohlwollend gegenübersteht, ohne es jedoch an der Vorsicht fehlen zu lassen. Für ihn gehen die gemeinsam mit den Sozialisten gebildeten Gemeinde- und Provinzausschüsse — es sind derzeit nur sechs, darunter Mailand, Genua, Florenz — nur auf einen Notstand zurück, weil die Kräfte der Demokraten -nicht ausreichten, sich diese Lokalverwaltungen zu sichern. Die von Nenni verlangte generelle Lösung in ganz Italien ist abgelehnt worden, weil die politischen Voraussetzungen dazu fehlen. Die fraglichen Ausschüsse stellen somit ein Experimentierfeld dar, wo innerhalb enger Grenzen die Möglichkeit der Erweiterung der demokratischen Basis erprobt werden soll. Wer nicht von vornherein gegen die Erweiterung ist, wird schwerlich leugnen können, daß das Versuchsfeld der Lokalverwaltungen das verhältnismäßig ungefährlichste ist und die geringsten Risiken mit sich bringt. Erstens, weil die Versuche in jedem einzelnen Fall ohne große Schwierigkeiten abgebrochen werden können, dann auch, .weil das Terrain der Verwaltung frei von jenen akuten Problemen der Innen- und Außenpolitik Italiens ist, die größte Behutsamkeit bei einer Zusammenarbeit mit den Linkssozialisten ratsam erscheinen lassen. Drittens, weil hier der geeignetste Boden ist, die Differenzierung der Sozialisten von den Kommunisten und in der Folge deren Isolierung zu erreichen.

„Die Freunde und die Wähler der DC mögen ruhig sein, denn auch in Zukunft werden Ruhe, Verantwortlichkeit und Vorsicht unsere Handlungen bestimmen", hat Moro emphatisch ausgerufen. Wenn die Zusam-

menarbeit mit den Nenni-Sozialisten auf nationaler Ebene auch für ihn eine historische Perspektive darstellt, so ist er sich doch vollkommen bewußt, daß sie in einer noch ungewissen Zukunft liegt. Die auf dem Parteikongreß in Florenz 1958 und auf der Tagung des Nationalrats der DC im Mai 1960 erhobene und ausgesprochene Forderung: keine „Öffnung nach links“ ohne Bruch Nennis mit Togliatti, hat weiterhin ihre volle Gültigkeit, weil immer noch vielfältige totalitäre Bindungen zwischen den beiden Linksparteien bestehen, an der Gewerkschaftsfront, im Genossenschaftswesen, in anderen Massenorganisationen. Die Christliche Demokratie blickt mit begreiflichem lebhaftem Interesse dem Parteikongreß der Linkssozialisten im März in Mailand entgegen. Doch kann bereits jetzt vorausgesetzt werden, daß Hoffnungen (falls solche bestehen sollten), die Autonomisten würden dort den erwarteten sensationellen Schritt vollziehen, enttäuscht werden müssen. Der Umfang der „Gärungen" und „Fermente“ beim PSI ist noch nicht ersichtlich; einige Vorkongresse — in Rom und in der Provinz Bozen — haben ein außerordentlich günstiges Bild gezeigt, demzufolge Nenni zwei Drittel bis drei Viertel der Delegierten folgen würden. Das Bild ist aber zweifellos in anderen Provinzen viel ungünstiger, und im ganzen wird sich an dem Verhältnis 60:40 zu Nennis Gunsten nicht viel verändert haben. Die Wahlen im November 1960 sind für Nenni überraschend schlecht ausgegangen; in seiner Bedrücktheit hat er Trost darin gefunden, daß die Kommunistenfreunde in seiner Partei in den von ihnen beherrschten Gemeinden und Provinzen nicht besser fuhren.

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