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Wer ist der Täter?

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Seit der Rückkehr zur Demokratie seit dem Sturz des Faschismus im Jahre 1943, hat Italien 26 Regierungen gehabt. Ihre durchschnittliche Lebensdauer betrug zehn Monate. Bei jedem Regierungswechsel vergehen ungefähr bis vier Monate, bis das Parlament wieder seine nor malen Punktionen auszuüben vermag. Die leichte Rechnung, daß Italien dadurch insgesamt acht Jahre an Zeit verloren hat, geht gewiß nicht auf, denn einige Wechsel, nach den Legislaturperioden, waren verfassungsmäßig bedingt und einige andere unvermeidbar. Trotzdem bleibt richtig, daß Italien ohne den vermeidbaren Zeitverlust heute bereits ein erhebliches Stück weiter wäre, als es ist. Eine weitere Feststellung: Die meisten politischen Krisen sind ohne äußeren Zwang durch die Demoorazia Christiana ausgelöst worden, von der Massenpartei an Katholiken, die den Ministerpräsidenten stellt, von einer parteiinternen Opposition in ihr oder als ganze. Die DC stürzte ihre eigenen Regierungschefs, so oft es ihr einfällt. Und es fällt ihr sehr oft ein.

Von allen Regierungskrisen ist die derzeitige die geheimnisvollste und am wenigsten durchschaubare. Nicht nur der Mann auf der Straße in Italien hat nichts verstanden, auch professionelle Beobachter des politischen Lebens haben sich vergeblich bemüht, einen Sinn in dieser Krise zu erkennen, die große Linie, die geistigen Spannungen, die hinter ihr stehen mögen. Es wäre leichter, die Krise ohne Sinn zu verstehen, statt großer Linie kurzsichtige Taktik, statt den geistigen Spannungen Ambitionen, persönliche Interessen und persönliches Machtstreben als treibende Kräfte einzusetzen.

Keine Fingerabdrücke

Die zweite Regierung Aldo Moros ist am 21. Jänner gestürzt worden, durch ein negatives Votum einer beträchtlichen Anzahl christlichdemokratischer Abgeordneter hinsichtlich eines vom Regierungschef als bedeutsam betrachteten Reformgesetzes über die Einrichtung staatlicher Kindergärten. Die Abstimmung war geheim, und die schwarzen Kugeln in der Urne tragen keinen Fingerabdruck. Trotzdem ist nicht schwer zu erraten, auf welcher Seite die „Heckenschützen” verborgen waren. Das Gesetz entsprach den Wünschen der Linksparteien in der Koalition, so daß sie dort nicht zu suchen sind. Nur die kleine Lom- bardi-Gruppe in der Nenni-Partei mag in ihrer prinzipiellen Ablehnung jeder Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Sozialisten dagegen gestimmt haben. Aber das wäre nicht ins Gewicht gefallen. In der christdemokratischen Partei jedoch gibt es zwei Strömungen, von denen die eine, um den Ex-Mini- sterpräsidenten Mario Scelba, sowohl gegen das Gesetz wie gegen die „linke Mitte” aufigetreten ist, und eine andere, um den ausscheidenden Außenminister Amintore Fan- fani, der das Gesetz selbst gleichgültig gewesen sein mag und die auch nichts gegen das Centro sinistra hätte, aber viel gegen die Regierung Aldo Moro.

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